Man kennt es. Hier und dort findet man immer wieder den Hinweis „Für weitere Informationen schauen Sie auf unsere Homepage“. Dabei vergessen die Macher oft, dass nicht jeder diese Zusatz-Informationen abrufen kann. Ich habe den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen gerne hinstellen und schlicht davon ausgehen, dass jeder immer und überall ins Internet gehen kann.
Die beiden TV-Pioniere und GEZ-Bezieher ARD und ZDF haben auch in diesem Jahr erneut eine Online-Studie durchführen lassen. Wirft man einen Blick in die diversen Einzelergebnisse, wird schnell klar, dass das gewünschte Bild der Internetnutzung nicht der Realität entspricht. Es stimmt zwar, dass die Zahl derer, deren Weg ins Internet führt immer mehr werden. 1997 waren gerade einmal magere 4,1 Millionen Deutsche im WWW unterwegs (ich war einer…). Im Jahr 2007 sind es schon 40,8 Millionen, das entspricht 62,7% der Deutschen. Nun stehen sie auf, die Verantwortlichen und Macher: Knapp 63% der Deutschen sind im Internet. Yeah, Baby. — Aber bitte auch mal schauen, was sich auf der Minusseite tummelt. 37%, also über ein Drittel der Deutschen, sind schlicht nicht online. Eine lässiges „Schauen Sie auf unsere Seite unter www.xyz.tld“ kommt bei diesen Menschen nicht an. Der (N)Onliner Atlas spricht von knapp 34% Offlinern (PDF – 3,8 MB).
Die ARD/ZDF-Studie gibt auch Auskünfte über die „Soziodemographische Struktur der Offliner“, also der Nicht-das-Internet-Besucher. 24,27 Millionen Deutsche sind nicht online. Der Großteil, nämlich 60% davon, sind weiblich. Das Internet ist somit hauptsächlich in männlicher Hand. Klar in männlicher, aber auch deutlich in junger Hand: In der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen sind gerade einmal 0,9% offline. Die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen hält sich ungefähr mit den 50- bis 59-Jährigen die Waage (12,8% bzw. 13,9%). Die oft glorifizierte, weil kaufkräftige Gruppe der Plus-60 hingegen, ist, auch wenn die Verantwortlichen in den Chefetagen es nicht gerne sehen, klar am seltensten im Netz der Netze vertreten. Knapp 63% der 60+-Deutschen sind offline.
Eine weitere interessante Aussage bietet der eingeschlagene Bildungsweg. Volks- und Hauptschüler sind zu beinahe 66% nicht online. Weiterführende Schulen locken mehr Menschen ins Netz. Hier sind aber immerhin noch ca. 27% offline. Von den Berufstätigen sind 29% nicht im Netz, die Nichtberufstätigen halten sich weitaus öfter fern vom Internet. Über 70% bleiben hier außen vor. Das muss allerdings nichts mit dem Bildungsgrad zu tun haben, das wird vermutlich schlicht eine finanzielle Frage sein.
Web 2.0-Poser
Zeigen die oben besprochenen Zahlen, dass man nicht so unachtsam und freimütig mit dem Gang auf die eigene Internetseite werben sollte, weil einfach noch zu viele Deutsche nicht die Möglichkeit haben, das Angebot zu konsumieren, kommen wir nun zu den Hippen und Schönen: den Web 2.0-ern, allen voran den Bloggern. Die Welt dreht sich nicht unbedingt um diese „Randgruppe“ des Internets. Die Anhänger von Web 2.0 bilden zwar eine enge und auch hauptsächlich aktive Gruppe, dennoch sind sie nicht der Nabel der Welt.
Die Web 2.0-Angebote wie Wikipedia, flickr, YouTube und Co. werden immer öfter benutzt. 2007 gaben 47% der Internetbenutzer an, „mindestens seltener“ Wikipedia zu benutzen. Die nächste Web 2.0-Anwendung, die benutzt wird, sind Videoportale wie YouTube: 34% nutzten diese in 2007. Weblogs sind mit 11% doch noch recht mager vertreten. Die Welt dreht sich anscheinend nicht um die Blogosphäre allein. Wobei Bookmarksammlungen und virtuelle Spielewelten mit je drei Prozent klar die Entwicklungsländer des Internets sind. Bei Letzteren finde ich es noch nicht einmal schade, Lesezeichensammlungen hingegen, benutze ich auch nicht…
Befragt nach typischen Internetbegriffen zeigt sich, dass der Großteil der Deutschen im Grunde noch einmal bitte Nachhilfe in Sachen Computer und Internet benötigt. 54% wussten, was Viren sind, 26% haben davon schon einmal gehört und unglaubliche 20% hörten das erste Mal davon. Web 2.0, das wovon sich so mancher eine Goldgrube erhofft, ist gerade einmal zwei Prozent der Deutschen ein Begriff, 12% haben davon gehört und der Rest (86%) könnte es mit einem Toaster verwechseln. Hier zeigt sich, dass alles, was das „moderne Internet“ ausmacht, noch sehr unbekannt ist. Lediglich Viren und Suchmaschinen (32%) sind einigermaßen geläufig.
Was kann man so alles im Internet machen? Ist ja nicht nur so, dass man sich Internetseiten anschauen kann und das war’s. Instant Messaging wird von 22% der Onliner genutzt, dicht gefolgt von Foren und dem Abrufen von Audio- und von Videodateien. Meine heißgeliebten RSS hingegen werden gerade einmal von drei Prozent genutzt! Ein Jammertal breitet sich vor mir aus… 🙁
Am aktivsten bei Instant Messaging und Co. sind dabei (natürlich) wieder die Jüngsten. Ab 40 Jahren kommt der große Knick. Hier reicht es wohl dann doch nur zum Anschauen von und dem Navigieren durch Internetseiten.
Die Onlineausgabe des Sterns hat ebenfalls eine Studie in Auftrag gegeben. Danach geben viele Deutsche zu, dass sie von Web 2.0 zwar schon etwas gehört hätten, was das aber genau ist, entzieht sich meistens ihrer Kenntnis.
Mitmachen
76% der „Blogbenutzer“ benutzen diese Sparte der Web 2.0-Welt rein zum Abrufen von Informationen. 28% gaben an, sie würden „mitmachen“, also nicht nur andere Blogs lesen, sondern auch selber Inhalte einstellen. Dabei geht die Studie nicht darauf ein, ob diese 28% alle einen Blog haben, oder ob das Kommentieren auch schon dazugehört.
Geschwindigkeit
Interessant ist es auch, noch einmal einen Blick auf die Art und Weise des Zugangs zum Internet zu werfen. Hier habe ich den Eindruck, dass so mancher Anbieter einer Internetseite oder eines -dienstes ein zu großes Maß an Überheblichkeit an den Tag legt. Frei nach dem Motto: Wieso? Ich habe eine dicke Leitung und einen fetten, schnellen Rechner, das haben dann doch alle! – Falsch.
Klar, der Trend zum schnellen Zugang ist zu erkennen. Das eigentliche „Ziel“ ist jedoch noch lange nicht erreicht. In 2007 gingen 59% der Deutschen mit einem flotten DSL-Zugang ins Netz. Schön. Tendenz ist auch steigend. Dennoch sind noch 20% mit ISDN und sage und schreibe 18% mit einem Modem, also mit max. 56kb/s auf den Datenhighways unterwegs. So high ist das alles nicht. Vor allem, wenn man sich anschaut, dass es immer noch Angebote gibt, die so schlecht gestaltet sind, dass sie auch bei einem 4MB-DSL-Zugang lahm laden. Viele Grafiken, viele verschachtelte Tabellen als Layout-Elemente – alles Faktoren, die immerhin knapp 40% der Onliner ausbremsen oder gar vergraulen. Auch auf die sollte man (noch) Rücksicht nehmen.
Fazit
Unterm Strich sieht man wohl recht schnell, dass es nicht jedem Deutschen gegeben ist, „mal eben auf die Seite www.xyz.tld zu gehen, um schnell weiterführende Informationen abzurufen“. Wer sich hinstellt und Informationen gar ausschließlich online zur Verfügung stellt, grenzt gezielt Menschen aus. Die Anbindung z.B. in ländlichen Gegenden ist schlicht nicht so, wie in städtischen Ballungsgebieten. Alte Menschen machen nicht „schnell den Rechner an“, bzw. haben ihn auch nicht permanent an, um Informationen und Angebote zu nutzen.
Ein wenig kleinere Schritte täten eigentlich nicht schlecht…
Der ad hat so einen Schritt gemacht und ein Einsehen. Er möchte im Herbst 5 Kilo abnehmen seine Seite entschlacken und damit schneller machen. Hier haben wir Einen, der den ersten Schritt macht. Schön. (Ich will übrigens nie behauptet haben, der ad sei arrogant. Ist er nicht, war er nicht.)
Kommentare (4)
Der letzte Satz macht mich stutzig. Wer nicht du, wer sonst? 😉
o.a. da hat doch tatsächlich einer diesen langen Beitrag durchgelesen! 🙂 — Aber mich falsch verstanden. Ich habe den Ad nie als arrogant bezeichnen wollen. Wenn das so rüber kam – Sorry. 🙁
Wunderbare Zusammenstellung, lässt mal wieder einen anderen Blick auf die „Internetgemeinschaft“ zu. Wobei zum Thema Geschwindigkeit etc. würd ich gern anmerken, das jeder Nutzer die Möglichkeit (selbst beim überholten Internet Explorer) die Grafiken und Javascript zu deaktivieren – das ist dann wohl das Stichwort für Webstandards, denn damit kann man die Infos auch ohne dieses Grafikschnickschnack lesen.
Stimmt schon, dass man Grafiken und JavaScript abstellen kann. Aber wer macht das schon? Oder noch anders gefragt: Wer weiß das schon? 😮 Otto-Normal-Verbraucher-Ich-bin-zu-blöde-um-einen-vernünftigen-Browser-zu-benutzen ist doch zu unwissend, als dass er in seinem Blöd-IE Grafiken und JS ausschalten könnte.
Aber wenn er es hin bekommt, sind natürlich Alternativ-Texte sehr wichtig.
Trackback/Pingback (1)
[…] meint, ich sei ein Angeber und zudem noch arrogant, der darf seine Wut gerne mit der Kettensäge an meiner Seite auslassen – aber bitte nur mit […]