Talk in Altona

Scholz & Steinmeier

So. Meine erste politische Veranstaltung. Dachte ich mir, wenn der Steinmeier schon mal in Hamburg ist, gehst du doch mal hin. Im Rahmen von o.a. Scholz‘ „Talk in Altona“ sprach der amtierende Außenminister. Warum nicht?

In bestem 70er-Jahre-Flair (lindgrüne Wände) fand die gut besuchte Veranstaltung in den Hallen der Holsten-Brauerei statt. Da war ich auch noch nie drin. Herr S., der mich begleitete, wusste von seinen unzähligen Besuchen in der Fabrik einiges zu erzählen. War auch nötig. Einlass war um 18.30h und um etw. 19.45h ging es los. Da musste man die Zeit irgendwie überbrücken. Dabei fiel auf, dass die Silberhaar-Fraktion klar in der Überzahl war. Nebenbei sagte ich noch ständig „Den kenn‘ ich“ und „Die auch“. Lauter SPD-Nasen, die man von Plakaten oder deren Internetseiten kennt.

Dann trat zunächst Arbeitsmnister o.a. Scholz auf, der locker und flockig sprach und damit die Zeit bis zu Steinmeiers Eintreffen überbrücken musste. Der wurde nämlich extra eingeflogen und verspätete sich erst einmal um eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde, in der Scholz hauptsächlich über die Finanzkrise sprach, wieso es gut war, so schnell einen Schutzschirm für die Banken bereit gestellt zu haben (nicht für die Banken, sondern für die Bürger, damit sie Vertrauen behalten und weiterhin konsumieren und anlegen). Außerdem sprach er davon, wie wichtig es sei, dass nun auch die Wirtschaft ihren Teil leiste. Trotz der Krise dürfe diese nicht loslegen und fröhlich – weil es so leicht ist – Arbeiter entlassen. Das wäre ein ganz falscher Weg.

Scholz erwähnte in seiner Rolle als Arbeitsminister die Arbeitslosenquote von 3 Millionen, und dass zur Wahrung einer solchen Zahl (klar, niedrige Arbeitslosenzahlen hat man immer nur in ein oder zwei saisonal bedingten Monaten) vor allem in die Bildung investieren müsse. Dabei sei es auch wichtig, dass jeder Bürger in jedem Alter die Möglichkeit haben müsse, einen Schulabschluss nachzuholen. Dabei verwies er – was ich nicht wusste – auf eine Volkshochschule in Altona, an der pro Jahr bis zu 180 Menschen ihren Schulabschluss nachholen konnten. Die Warteliste war um einiges höher. Doch unser schwarzer Spaß-Senat war der Meinung, an so einer Stelle könne man sparen. Ich vermute einmal, um das Geld lieber in der Elbdisharmonie oder der U4 zu versenken …

Steinmeier

Dann kam Außenminister Steinmeier in den Saal, von Scholz angekündigt als nächster Bundeskanzler. Was im Saal zu allgemeiner Erheiterung führte. Mir kam es so vor, als glaube man selber nicht daran. Steinmeier stieg ein mit der Erklärung, warum er noch seltener in Talkshows auftrete als Scholz. Als Vollblut-Politiker, gerade als Außenminister, sei das Herz voll mit Ideen und Meinungen. Die eineinhalb Minuten, die man dann in einer Talkshow zur Verfügung hätte, würden nie ausreichen, um auch nur ansatzweise sich warm zu laufen. Auch verlor er einige Worte zur US-Wahl und den Folgen für Europa, bzw. Deutschland.

Was folgte war ermüdend. Steinmeier redete noch einmal, wie zuvor Scholz auch, über die Finanzkrise. Nur um einiges ausführlicher. Leider, ich hatte es mir irgendwie anders erhofft, war Steinmeier nicht gerade der flammende Redner. Er wählte seine Worte bedacht. Zu bedacht für meinen Geschmack. Zumal man eben erst eine halbe Stunde von dem gehört hatte, was der Außenminister nun ebenfalls von sich gab. Das hätten die beiden Redner besser absprechen dürfen.

Es folgte ein Ausflug nach Hessen. Von dort ging es zur Außenpolitik und wie wichtig gewisse Global Player (China, Indien) seien, gerade im Hinblick auf die Überwindung der Finanzkrise. Es war die Sprache vom Industriestandort Deutschland, dem Exportgut Ingenieur, der Notwendigkeit entsprechend mehr in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren und vom Kfz-Steuer-Erlass. Der letzte Punkt endete mit der Aussage, dass man diesen Erlass für zwei Jahre akzeptieren könne, auch um die deutsche Automobil-Industrie anzukurbeln (von der wohl jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland abhängt) und schließlich damit, dass ab 2011 eine Steuer gemäß dem Kohlendioxid-Ausstoß kommen müsse.

Einzig der unbequeme Stuhl, auf dem ich saß, hielt mich wach, musste ich doch ständig neue Sitzpositionen finden. Die schon seit längerer Zeit verbrauchte Luft war nicht hilfreich meine Konzentration hoch zu halten. Der Kanzlerkandidat hatte viel zu erzählen, hohlte in bester Politiker-Manier weit aus und brauchte lange um auf den Punkt zu kommen.

Nett fand ich den Hinweis von Steinmeier, dass die SPD, im Gegensatz zur CDU und der FDP, nicht tief in den Archiven suchen müsse, um eigene Aussagen über die Gefahren des Kapitalmarktes zu finden. Die SPD habe schon lange davon gesprochen. — Er konnte doch zwischendurch immer mal wieder bissig, lustig und erfrischend sein …

Talk in Altona

Während Steinmeier redete, reichte eine junge Dame Scholz ständig Zettel. Ich dachte noch: „Mist, das sind alles Notizen, die er zugesteckt bekommt, um gleich eine Diskussion mit Steinmeier zu führen. Hilfe!“ — Es kam anders. Das waren Fragen aus dem Publikum, die Scholz vernünftig bündelte. Nun wusste ich auch, auf was für einem Zettel ich die ganze Zeit hin- und hergerutscht war.

Es kamen Fragen zum Mindestlohn (kleiner Angriff gegen die CDU, die sich sträubt), zur Erbschaftssteuer (noch kein Ergebnis), zu Afghanistan, Irak und Co. und natürlich zur Linken. Hier wäre ein Ja oder Nein schnell gesagt, doch der Politiker kann es wohl nie knapp halten, also brauchte Steinmeier einige Zeit, bis er seine eindeutige Absage an die Linke nach der Wahl 2009 erteilte.

Die Fragerunde war nett und es gab interessante Antworten. Die vorangegangene Rede Steinmeiers war ermüdend, gerade im Hinblick darauf, dass er vieles von Scholz wiederholte. Die Dynamik in der Rede Steinmeiers wurde von mir schmerzlich vermisst, ich redete mir jedoch ein, dass er müde war. Immerhin hatte er auch erzählt, was er alles gerade zu erledigen, welche Debatten er im Moment zu führen hat. Im Hinausgehen meinte auch eine ältere Dame hinter uns, sie habe Steinmeier schon feuriger erlebt. Das lässt hoffen. Vielleicht war es einfach ein schlechter Tag. Noch einer. Schließlich hatte der Außenminister erklärt, dass der vorangegangene Tag so einer gewesen wäre, an dem man am liebsten im Bett geblieben wäre …

Unterm Schlussstrich: Nett. Steinmeier hätte aber gerne dynamischer, peppiger sein dürfen, ohne Wiederholungen und mit weniger rhetorischen Füll-Phrasen. Scholz war hingegen lockerer und frischer — eben hamburgisch. 😉