Niels Frevert hinterlässt einen Zettel auf dem Boden

Cover Niels Frevert - Zettel auf dem Boden

Bewertung: 4.5 von 5

Zwischen Seltsam Öffne mich, dem zweiten Solo-Album des Hamburger Niels Frevert und dem Nachfolge-Album Du kannst mich an der Ecke rauslassen lagen satte fünf Jahre. Das vierte Album von Frevert kam etwas schneller raus. Drei Jahre gingen ins Land und nun ist Zettel auf dem Boden da.

Was sich bei Du kannst mich an der Ecke rauslassen bewährt hat, verfolgt Frevert nun noch konsequenter. Es gibt keine Rock-Nummer mehr, alle elf Lieder sind ruhig, melancholisch, mit Streichern und auch mal mit Trompete zu unglaublich traurigen, schönen Liedern erhöht.

Schon im ersten Lied Schlangenlinien setzen gleich nach der Akkustik-Gitarre die Streichern an. Frevert erzählt eine Geschichte von der Begegnung mit einem alten Mann. Bereits zum Beginn der Scheibe taucht der Zuhörer in Melancholie ein.

Danach wird es ein kleines bisschen beschwingter, zumindest von der Musik her. Eine etwas seltsame Liebeserklärung an einen Menschen, die uns Frevert in Ich würde Dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist präsentiert. Am Ende setzt gar ein kleiner Chor ein, in dem auch Nils Koppruch mitmischt. Irgendwann muss man einfach mitpfeifen. Das ist dann auch die erste Auskopplung aus der Scheibe. Zumindest gibt es dafür ein Video.

In 1m2 Regenwald geht es dann sehr düster zu. Ein Lied voller Hoffnungslosigkeit.

Das vierte Lied, Frustrationstoleranz, Herr Frevért, scheint von einem Wartezimmer bei einer Therapeutin zu handeln und mag uns sagen, dass wir alle Patienten sind.

Mein spontanes Lieblingslied ist Bis jemand mich hört. Die Melodie ist frisch, leicht und beschwingt, von hohen Streichern bestimmt. Hört man dann genauer auf den Text (der übrigens nicht im Booklet abgedruckt ist), präsentiert Frevert uns erneut keine leichte Kost, sondern erzählt von einem geängstigten Menschen.

Für stocktaube Ohren reicht ein 100-Watt-Verstärker nicht aus, um zu hören, dass jemand in Not ist.

Blinken am Horizont gibt es in zweifacher Ausführung. Einmal mit diversen Instrumenten und etwas schneller, am Ende der Scheibe aber auch noch einmal als Piano-Version. Wieder so ein Lied, das man einfach gerne haben muss, auch wenn es von einem toten Menschen handelt.

Ja, es ist schwere Kost, die uns Niels Frevert hier auf die Ohren gibt. Wenn man nicht gerade selber total deprimiert ist, sind diese 45 Minuten allerdings wunderschön melancholisch. Manchmal erinnert die Musik an einen französischen Film aus den 60ern. Ich glaube, ich habe keinen einzigen solcher Filme gesehen, aber so eine Assoziation kommt irgendwie auf.

Zettel auf dem Boden kann man sich nicht immer anhören. Man muss in der Stimmung sein. Frevert-Fans dürften sich auf die Scheibe gefreut haben und werden nicht enttäuscht.

Das ist eine lange Geschichte.
Dauert ungefähr zwei Teelichte.

Ein wenig Sorgen mache ich mir allerdings schon. Diese schweren Lieder in Verbindung mit dem Foto von Frevert im Booklet, auf dem er alt, traurig und verbraucht ausschaut ? Nicht schön.

Scherben bringen Glück.
Und Glück bringt Scherben.

Kommentare (2)

  1. Stefan schrieb:

    Mmh ich sehe im Booklet niemanden, der alt und verbraucht aussieht.

    Montag, 7. November 2011 um 15:44 #
  2. michaela schrieb:

    Schön.
    Danke für den Tipp.

    Dienstag, 15. November 2011 um 15:44 #