Beyond Tellerrand 2013

Zum dritten Mal fand die Konferenz „beyond tellerrand“ in Düsseldorf statt. Diesmal konnte ich ein Ticket ergattern – und war extrem positiv angetan von der Konferenz. An zwei Tagen gaben 13 Sprecher aus unterschiedlichen Disziplinen ihre Gedanken zum besten. Der Reiz an „beyond tellerrand“ ist der, dass es sich hierbei nicht um eine Konferenz zu einem bestimmten Thema handelt. Es ist keine Frontend-Konferenz, keine Design-Konferenz – es ist eine Konferenz, die aufgrund der Vielfalt der Sprecher schlicht als Web-Konferenz zu bezeichnen ist.

Besonders interessant an dieser Konferenz war, dass die Vortragenden, obwohl doch aus verschiedenen Fachrichtungen kommend, eine gewisse Grundrichtung in ihren Talks angaben. Es war schnell ein roter Faden zu erkennen. Dabei wurde, so denke ich einmal, kein Thema vorgegeben. Daran sieht man, dass in der Webgemeinde ein gewisser Trend zu erkennen ist, der alle umtreibt.

Beyond Tellerrand? Was ist das?

Die Keynote sprach Jeremy Keith, Entwickler von der Insel, Autor von Büchern und Fan von Microformats. Er fing seine Rede damit an, dass er zunächst den Namen der Konferenz für sich und die Zuschauer erklärte. Hier schaut man über den Tellerand. Durch den Genre-Mix bekommen die Zuschauer Einblicke in Themen, mit denen sie sich unter Umständen sonst nicht auseinandergesetzt hätten.

Keith ging über und erzählte vom verstorbenen und begrabenen GeoCities. Ja, ich war auch dort vertreten. GeoCities bot den Menschen in einer Zeit, als der Zugang zum Internet noch nicht so leicht war wie heute, die Chance Inhalte zu produzieren, sich in diesem noch recht neuen Medium zu präsentieren. Etwas, von dem Keith behauptet, das sei der Sinn des Internets. Heute ist es unsere Aufgabe, die Barrieren zum Content zu senken – sowohl, dass man leichter an Inhalte herankommt, aber auch, dass der User leicht Inhalte selber produzieren kann. Der britische Autor träumt von einem Web für alle und forderte – mit Blick auf GeoCities – eine Art Backup für das Internet. GeoCities wurde einst von Yahoo aufgekauft und diese haben später den Stecker gezogen: alle GeoCities-Inhalte wurden komplett gelöscht.

Wie transportiere ich Inhalt?

Mandy Brown, Mitbegründerin von A List Apart, hatte ihren s.o. auch am ersten Tag. Sie sprach davon, dass es im Internet ausschließlich um Inhalte ginge. Seien es Blog-Einträge, News-Artikel, Kommentare, Bilder – alles ist Inhalt und es an uns, die wir für und in dem Web arbeiten, diese Inhalte in der für den User besten Art und Weise zur Verfügung zu stellen. Das hing sich bei Mandy Brown natürlich hauptsächlich am geschrieben Wort auf, ist sie doch auch CEO von Editorially.

Man kann es jedoch auch so sehen, dass der Content nicht hinter Schnörkel und Design-Raffinessen versteckt sein soll. Der Benutzer soll schnell und direkt an den Inhalt kommen. Kein Hover-Versteck, kein Extra-Klick. Ich weiß nicht, ob sie es aufbrachte, oder ob mir bei dem Talk das Prinzip KISS (Keep it short & simple) in den Sinn kam. Es passt so oder so.

Ebenfalls am ersten Tag stand Kate Kiefer Lee von MailChimp auf der Bühne. Die Amerikanerin mit den klingenden Ohrringen ist für die Kommunikation bei MailChimp zuständig. Ihr Talk ging um die Art und Weise, wie man im Netz kommunizieren sollte. Mancher möchte sich witzig und kumpelhaft im Netz präsentieren – aber passt dieser Ton zum Unternehmen? Und selbst wenn das die richtige Art und Weise für die eigene Firma ist, mit den Benutzern zu sprechen, es gibt immer Situationen, in denen man sich zurücknehmen muss. Ein durchaus interessanter Beitrag, jedoch nicht unbedingt mein Interessengebiet. Aber: Schaue über den Tellerrand! Warum soll man sich nicht auch einen „artfremden“ Beitrag anhören?

Ein Web für alle

Am zweiten Tag läutete Chris Heilmann den Konferenztag mit seinem Talk ein. Bei Chris Heilmann kann man sich zu 90% sicher sein, dass der Vortrag mit Firefox zu tun hat. Mag manchem nicht schmecken, aber bei diesem Talk schaffte er es, mit einem komplett nicht-technischen Einstieg zu starten, um dann u.a. auf das neue Firefox OS zu sprechen zu kommen.

Kernaussage seiner Redde war, wir Entwickler sollten uns auf das verlassen, was wir können und was uns zur Verfügung steht. Also nutzt HTML5, CSS und JavaScript. Schreibt keine nativen Apps für Mobiltelefone. Das können wir alles mit HTML5 machen. Man muss sich nur mal vergegenwärtigen, dass derjenige, der sich eine App aus einem Store (sei es Apples App-Store oder Google Play Store) herunterlädt. ein entsprechendes Gerät in der Hand halten muss. Ein Gerät, das verdammt teuer ist. Wer also native Apps programiert, arbeitet für ein Web, das nur für Reiche ist. Hat er nicht Unrecht.

Dann setzte die Werbetrommel für Firefox OS ein. Das Beriebssystem läuft auf Geräten, die nicht so teuer sind. Ich las irgendwo, dass sie ein Gerät schon für 100 Dollar zu kaufen sei. Damit ermöglicht man mehr Menschen den Zugang zum Internet.

Außerdem sprach Heilmann die Entwickler an, sie mögen Code schreiben, auf den sie stolz sein können. Code, den sich ein anderer Erntwickler in einem halben Jahr anschauen kann und sofort versteht, so gut und simpel ist er geschrieben. Code, der so gut geschrieben ist, dass andere Entwickler Copy/Paste machen können und er dennoch funktioniert. Er gab hierfür einige negative Kontrabeispiele, die einem die Nackenhaare sträuben ließen.

Arron Gustafson war bereits am ersten Tag mit seinem Talk an der Reihe. Er sprach davon, dass man beim Designen an den User denken möge. Immer. Nach einer kurzen Definition, wonach Design nicht Kunst ist, ging Gustafson darauf ein, dass derjenige, der Kunst macht, das nur für sich selber mache. Beim Künstler ist ganz viel Ego involviert. Ein Designer hingegen sollte sein Ego außen vor lassen und an den Benutzer denken. Das gilt übrigens auch für Entwickler. Wenn Ihr angeben wollt, wenn Ihr der Welt zeigen wollt, was für ’ne cool Sau Ihr seid und was Ihr alles könnt (Designer oder Entwickler), dann macht das in einem privaten Projekt, einer privaten Seite, aber nicht in einem „working enviroment“.

Responsive Webdesign

„beyond tellerrand“ hat kein übergeordnetes Thema und die Redner stehen nicht auf der Bühne und zeigen all die tollen Dinge, die sie vielleicht geschaffen haben. Mit einer Ausnahme. Brad Frost fing seinen Talk damit an, über das von ihm ersonnene Atomic Design zu reden. Im Grunde nur ein anderes Anschauungsmodel für OOCSS: brich Dein CSS in kleine Teile und setze sie dann wieder zu größeren Elementen zusammen. Anschließend zeigte er den Zuschauern doch etwas, das er geschaffen hat: Patternlab, ein Framework, das sich responsiv verhält.

Im Gegensatz zu so vielen Frameworks, die im Netz verfügbar sind, kommt Patternlab ohne UI daher. Das macht dieses Framework schlanker als so manch anderes.

Der Brite Harry Roberts sprach in seinem Talk über die Architektur von CSS. Dabei griff er auf das Bild zurück, man möge sein CSS wie Lego-Steine betrachten. Eine Analogie zu Brad Frosts Atomen. Diese Legos-Steinchen kann man dann zusammenstecken und bekommt etwas großes dabei heraus. Eigentlich auch die Idee von OOCSS.

Schön war Roberts‘ Aussage, wonach wir Entwickler nicht immer nur neues Zeugs in unsere Seiten klatschen mögen. Es müsse auch Zeit für Aufräumarbeiten vorhanden sein. Kann man Dinge, die nicht mehr benutzt werden rausschmeißen? Kann man Dinge im CSS zusammenfügen. Ein wichtiger Part. Ja, er mag so manchem Entwickler nicht cool erscheinen, aber er ist absolut notwendig!

Die Designerin Meagan Fisher kam ebenfalls auf das Thema Responsive Webdesign zu sprechen. Die junge Dame aus New York zeigte ein Model, wie ein Designer heutzutage für das Web arbeiten sollte. Dabei kam die Aussage heraus, der Designer möge nicht mehr (ausschließlich) in Photoshop arbeiten. Er solle vielmehr dort arbeiten, wo das Web stattfindet – und das ist im Browser. Designer müssten also heutzutage HTML und CSS können, so dass sie im Browser schon grundlegende Dinge anlegen können und sehen, wie sich ihr Design im Browser verhält. Mal ehrlich: Photoshop gibt nie die Realität wieder, das kann nur der Browser.

Wo man sing‘, da lass Dich nieder …

Ein absolutes Highlight war der vorletzte Sprecher, Josh Brewer. Der Designer von Twitter war in der „Notlage“, dass das meiste von dem, was er sagen wollte, schon in anderen Talks Erwähnung fand. Also musste er sich etwas einfallen lassen, um das Publikum doch noch zu begeistern.

Mit einer Gitarre bewaffnet stand er dann auf der Bühne und gab eine „Web-Opera“ zum Besten. Er sang davon, dass Photoshop ein Lügner sei. Damit erinnerte er an Meagan Fisher. Nach allgemeinen Aussagen, wonach wir als Konsumenten nicht alles glauben sollten, was wir sehen, kam er auch darauf zu singen, dass Photoshop nicht mehr zum Designen benutzt werden sollte. Brewer griff den Gedanken auf, wonach HTML und CSS die neue Lingua franca sei.

Fazit

Beyond Tellerrand war ein klasse Veranstaltung. Designer und Entwickler, die entweder in einer Person vereint, oder aber sich spinnefeind sind, trafen hier aufeinander und konnten voneinander lernen. Genau das ist es, was Über den Tellerrand schauen bedeutet.

Die Sprecher waren zu einem hohen Teil motiviert, die Organisation reibungslos. Was ich mitgenommen habe, ist:

  • Wie müssen unsere Designs, unseren Content und unseren Code einfach halten. Keine zu komplizierten Dinge.
  • Designer sollten weg von Photoshop und hin zur Entwicklung im Browser.
  • Designer und Entwickler sollten gleichermaßen auf ihr Ego verzichten und stattdessen an die Benutzer denken.
  • Responsive Webdesign ist die Zukunft. Da geht nichts dran vorbei. Ach was, es ist nicht Zukunft. Es sollte schon überall im Einsatz sein!
  • HTML5, CSS und Javascript sind die neuen Platzhirsche. Native Apps sollte man lieber nicht mehr produzieren. Schon aus dem Grund, weil native Apps nur für die Menschen sind, die Geld haben (sich ein teures Stück Technik zu kaufen).
  • Entwickler sollten Zeit haben, ihren Code aufzuräumen, zu pflegen und zu hegen. Es geht nicht an, dass immer nur neuer Code oben draufgeklatscht wird.
  • Wer seinen Vortrag singen kann, hat schon mal von vornherein gewonnen.
  • Amerikaner lieben es zu fluchen und das F-Wort zu benutzen.