Wahnsinniges Amerika

Mein Bruder erzählte mir mal die folgende Geschichte: Er war vor einigen Jahren in den Staaten. Hier und da – überall. Seine Reise führte ihn in einen Vorort von Los Angeles, wo er mit seiner damaligen Freundin bei Bekannten unterkam. Eines Abends bekam er Lust auf ein Bier. Es war keines im Haus, der Liquorstore nur zwei Blocks entfernt. Der Abend war lau und angenehm, warum nicht mal schnell zu Fuß zum Geschäft gehen? Ist ja nicht weit. Also raus und gemütlich hingegangen. Als eine Sirene neben ihm seine Aufmerksamkeit erregte. Polizei!

Was er denn da machen würde, fragte man ihn. Er antwortete, er wolle sich nur schnell mal was zu trinken holen. Darauf die Polizei: Das macht man nicht so. Sie hatten im Gespräch rausgehört, dass sie einen Ausländer vor sich hatten. Deshalb der „gute Rat“. Wie, das macht man nicht so? Meinem Bruder wurde unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass man gefälligst ein Auto zu benutzen habe, wenn man sich von A nach B bewegen wolle. Was aber angesichts der Tatsache, dass das Ziel nur zwei Häuserblocks entfernt sei, doch irrsinnig sei, so mein Bruder. Nein! Man. Fährt. Mit. Dem. Auto. Egal, wie kurz oder lang die Strecke sei, war die Antwort. Nur Kriminelle gehen zu Fuß, so hieß es weiter. Das nächste Mal dann bitte mit Auto, dass das klar ist?!

Die Geschichte erzähle ich immer wieder gerne, zeigt sie den Wahnsinn, der in den USA herrscht. Nun schreibt ein Autor eine ähnliche Geschichte. In Las Vegas wollte er für Computerzeitschriften schreiben, war in einem guten Hotel untergebracht und dachte sich nach Jahren des Verkehrschaos – warum nicht einfach ein Fahrrad mieten? Keine Staus, keine vollen Bahnen. Die Schwierigkeit an der guten Idee: Man fährt in den Staaten nicht einfach mal Fahrrad. Wenn der Amerikaner sich aufs Rad setzt, dann nur zum Sporten. Irgendwo im Park, in der Wüste, in den Bergen. Und da fährt man mit dem Auto hin. Kommt bekannt vor?

Als er dann endlich ein Rad hat mieten können, bestand das Problem darin, dass er kein Licht und kein Schloss hatte. Das musste er sich alles hinzukaufen. Mieten war nicht drin. Das mit dem Schloss hätte er sich sparen können. Es gibt keine Abstellplätze für Fahrräder. Da war so ein „verrückter Europäer“ mit einer völlig durchgeknallten Idee.

War ich bei der Geschichte meines Bruders noch ratlos und konnte nur mit dem Kopf schütteln, macht mich die jüngste Geschichte geradezu sauer. Wie dumm sind die Amerikaner? Was ist das für eine kranke Gesellschaft? Alles, aber auch alles muss mit dem Auto zurückgelegt werden? Nur Obdachlose fahren Fahrrad, Kriminelle gehen zu Fuß? amerik. muss endlich von seiner Abhängigkeit dem Auto und der Ölindustrie gegenüber loskommen! amerik. muss endlich an die Umwelt denken! Das erfordert ein Umdenken und – das ist der schwere Part – somit eine Veränderung der Gesellschaft.

Nebenbei ist so ein Spaziergang oder eine kleine Fahrt mit dem Rad auch der Gesundheit förderlich.

Und da fragen mich Leute, wieso ich nicht in die USA reisen möchte …