Das gekapselte Internet

Hände hoch! Wer erinnert sich noch an die Welt von AOL und Co.? Damals, als das Internet noch jung war, als wir keine Ahnung hatten, was uns dort draußen alles erwartet und wie man an die neuen Horizonte gelangen konnte. Zu der Zeit wurden einem an jeder Ecke und in jedem Printmedium (!) die CDs (!) hinterhergeworfen, auf denen AOL stand. Einmal anmelden, einen Monat umsonst surfen, danach einen Betrag X bezahlen, der heute verrückt anmutet.

AOL gibt es nicht mehr (eigentlich schon, aber wir behandeln es mal so, als ob es das nicht mehr gäbe), die CDs sind höchstens noch bei einigen Retro-Fanatikern als Untersetzer im Partykeller im Einsatz. Worauf ich hinaus will: Um ins Internet zu gehen, brauchte man deren Software. Wie auch bei der Telekom musste man damals über deren Portal in die Weiten des Internets eintauchen. „Nein, Du gehst nicht direkt irgendwohin, Du gehst erst auf unser Portal, wirst zugepflastert mit Werbung und dann darfst Du weiter.“

Das Prinzip hat sich überholt. Möchte man glauben. Ein abgeschlossenes Ökosystem, das mir vorschreibt, wie ich das Internet erleben soll? Gibt?s doch nicht. Oder? Na freilich gibt es das. Wieder. Da reden die Leute von Netzfreiheit und all solch lustigen Dingen und dabei verbauen sie sich selber alles. Die Sprache ist von den Apps. Das mobile Netz wird das Desktop ablösen. Das liest man überall. Die Zahlen sprechen dafür, dass der mobile Zugang ins Internet immer mehr steigt. Und bei ?mobiles Internet? denken nun einmal viel zu viele Menschen automatisch an Apps. Diese kleinen Icons, die man sich aus einem s.o. runterlädt und mit denen man dann irgendwas im Netz machen kann. – Und die einem ein abgeschlossenes Ökosystem präsentieren. Unter Umständen sogar mit vordefinierten Inhalten. Aber ich lasse einfach mal diesen Mann sprechen, der kann das eigentliche Problem ganz gut zusammenfassen (ab 2:30 min):

Alles an einem Ort zu haben, ist also kritisch. Alles aus einer Hand, einem Shop, einer Schmiede präsentiert zu bekommen ist ebenfalls kritisch. Und dennoch machen es die Menschen alle bereitwillig. Was man noch bei AOL und Co. angemeckert hat, kommt nun freiwillig und in kleiner Form wieder. Wollen wir das wirklich?

Native vs. Web

Ah, die alte Leier. „Wir sind besser!“ gegen „Nein, wir sind besser!“ Die Auseinandersetzung, wer denn nun besser sei, eine native App oder die Web-App, bekommt in letzter Zeit immer mehr Gewichtsverlagerung hin zur Web-App. Taucht ein Bug auf, der gefixt werden muss oder soll ein neues Feature eingebaut werden, ist das in der Web-App viel, viel schneller und kostengünstiger zu erledigen. Bei den native Apps muss diese erst durch den Shop (Apple Store) kommen. Das kann dauern. Das ist der Preis für die Kapselung, für die Abhängigkeit, in die man sich begibt mit einer native App.

Dann kommen immer wieder die Zahlen auf den Tisch, wonach die Menschen viel mehr Zeit in den native Apps verbrächten. Ja, aber ? Aber, diese Zahlen stimmen nur für die ganz großen Globalplayer. Wer nicht gerade Facebook oder YouTube heißt, braucht auch nicht auf dieses Argument setzen. Für alle Anderen ist der Weg zu teuer. Wenn schon das Argument mit dem ?freien Internet? nicht hilft, dann vielleicht das mit den Kosten.