Davon geht die Welt nicht unter

Es war Mittagszeit, also stand Nahrungsaufnahme an. Einige Kollegen und ich gingen in ein nicht weit entferntes kleines Restaurant, das Tische an der Straße aufgestellt hatte. Die Sonne schien, der Verkehr in der ohnehin nicht viel befahrenen Seitenstraße war ruhig. Ich schaute in Richtung Straße.

Einem Fahrradfahrer fiel auf unserer Höhe sein Mobiltelefon auf die Straße. Es sprang in mehrere Teile, der Mann reagierte nicht sofort, ein nachfolgendes Auto fuhr über das Telefon. Ärgerlich. Ja. Aber davon geht die Welt nicht unter. Ich weiß nicht, ob der Mann gerade telefoniert hatte – was er nicht darf! – oder ob das Telefon aus seiner schlecht sitzenden, viel zu weiten Hose rausgefallen war. In beiden Fällen hätte ich nicht viel Mitleid mit dem Mann, im ersten noch weniger.

Das sahen die drei jungen Frauen hinter uns anders. Die waren so stereotypisch, stereotypischer geht es nicht mehr: Alle blond, gut gekleidet, das Mobiltelefon immer in Griffnähe, unentwegt schwatzend. Die Damen sahen das „Unglück“ auch und für sie brach eine Welt zusammen. Oh der arme Mann!, hörte ich hinter mir. Die bekamen sich nicht mehr ein, so schrecklich war das, was sie da auf der Straße sahen. Scheiß auf hungernde Menschen. Scheiß auf Krieg und Terror. Hier hatte sich – laut der Meinung dieser jungen Frauen – eine echte Tragödie ereignet! Ein Mobiltelefon ging kaputt. Wie kann der Mann jetzt nur leben? Kein Zugriff mehr aufs Internet! Kein Adressbuch mehr! Oh. Mein. Gott! Helft doch diesem Mann. Irgendjemand! Helft ihm! — Die Mädels konnten sich echt nicht mehr einkriegen.

Was sehr traurig ist. Es zeigt, wo die Prioritäten heutzutage liegen und wie abhängig die Menschen von ihren kleinen Taschencomputern sind. Ein Leben ohne Mobiltelefon ist für diese Menschen nicht erdenklich.

Eine sehr traurige Welt ist das, in der wir da leben …