Selber schuld

Vielleicht ein wenig zu harsch, aber im Kern stimmig. Am Sonnabend gab es eine Groß-Demo in Hamburg — und keiner wusste davon. Nicht nur, dass im Vorfeld erschreckend wenige Menschen überhaupt von der Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“ wussten; was damit gemeint ist, entzog sich ebenfalls vielen Leuten. Und schließlich: Es wurde auch nicht zugelassen, dass Bürger davon erfuhren.

Ich war am Sonnabend in der Innenstadt. Gegen 14h näherte ich mich über die ABC-Straße dem Gänsemarkt an. In den Seitenstraßen standen an jeder Ecke vier bis fünf gepanzerte Polizisten, teilweise mit Passanten im Gespräch. Beim Vorbeigehen hörte ich einen Polizisten einem älteren Herren erklären, dass „die“ ja nicht nur generell gegen alles am Staat wären – gefolgt von einer abwertenden Handbewegung.

Auf dem Gänsemarkt war Weihnachtsmarkt, es roch penetrant nach Glühwein und jede freie Stelle war mit Polizisten gepflastert. Meine Herren, so viele und schwere Polizeiwagen habe ich auch noch nie gesehen. Am Ende des Valentinskamps, Ecke Dammtorstraße, stand ein Polizei-Wagen mit Kamera. Der Demonstrationszug sollte den Valentinskamp herunter kommen. Alles schön unter Beobachtung. Tatsächlich kam diese Kamera und die vielen am Gänsemarkt postierten Polizisten gar nicht zum Einsatz.

Der Netzgärtner hat weitere Eindrücke sammeln können. Er ist als Zuschauer mitgegangen – was nicht sonderlich weit war. Die Polizei hat die Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“ offensichtlich massiv blockiert. Freie Meinungsäußerung war nicht drin, die Masse kam wohl kaum voran, da die Polizei ständig etwas auszusetzen hatte und die Menge unentwegt zum Stillstand zwang. Da kann schon Aggression aufkommen…

Im Vorfeld wurde mit Gewaltbereitschaft auf Seiten der Demonstranten gerechnet, daher auch das massive Polizeiaufgebot. Es kam zu Krawallen. Ich möchte nicht abstreiten, dass bestimmt Störenfriede mit der Absicht auf Radau zur Demo gekommen sind. Die hätten also „so oder so“ später Krawall gemacht. Ich denke aber, dass die Behinderung und Unterdrückung der Meinungsäußerung in Form einer Demonstration nicht gerade förderlich ist, um die Aktion friedlich über die Bühne zu bekommen.

Deeskalation sieht anders aus. Das war Provokation.

Kommentare (3)

  1. Udo schrieb:

    Es kann nicht angehen, daß der Bürger in Ausübung seines Demonstrationsrechtes in einem sogenannten Wanderkessel wie ein Trupp Sträflinge aus dem Arbeitslager durch die Stadt bzw. an den belebten Konsumzonen vorbeigeführt wird, und das Hinzukommen bzw. Entfernen nicht mehr möglich ist. Für ältere Personen ist der rowdyhafte Umgang der Polizeibeamten, die manchmal in ihrem aggressiven Verhalten an bekokste Türsteher erinnern, keine Einladung an demokratischen Prozessen auf Strasse teilzunehmen.

    Der Bürger hat kein Verständnis mehr für eine Polizei die sich auf den Strassen marcial selbst inszeniert, als wäre sie eine Legion des Römischen Reiches, und das Demonstrationsrecht für Jedermann abgeschafft.

    Es muß auch wieder möglich sein, daß die Generation der 70 jährigen mit Spazierstock, Stützwägelchen und Rollstuhl am Meinungsbildungsprozeß und der persönlichen Revitalisierung auf der Straße und belebten Brücken teilnehmen kann.

    „Senioren für Deeskalation“ halte ich für eine gute Idee, unsere Exekutive bei ihren hoheitliche Aufgaben zu watchen…
    Wir wissen aus der Geschichte unserer Demokratie, daß der Staat ein Schläfer ist, und erst bei Großdemonstrationen das partizipierende Volk zur Kenntnis genommen wird.

    Mit weniger Helm und weniger Stock zu mehr Verstand und sozialem Engagement. Den „Freund und Helfer“ und nicht den Prügelknaben will der Bürger wieder bei den Demonstrationen sehen. Mal über das IMAGE der Polizei in 20 Jahren nachdenken…und nach Afghanistan schauen, wo die von Deutschen ausgebildete Afghanische Polizei angeblich aus [unverdächtigen] 60% Analphabeten besteht…

    Udo

    Montag, 17. Dezember 2007 um 19:07 #
  2. Ooch Nils, du irrst!

    Du schreibst ich wäre nicht weit gekommen?
    Der Demonstrationszug mag ja nur wenige hundert Meter marschiert sein, aber ich bin mindestens 20 km gelaufen und die doppelte Strecke mit der S- und U-Bahn gefahren, um mich mal auszuruhen.
    Mir tun heute immer noch die Knochen weh von dem vielen Laufen!

    Ich war von 9:20 Uhr an auf den Beinen.
    Zuerst war ich bei Louis in der Süderstraße um meine alte Battterie abzugeben.
    Nein, nicht die von meinem Herzschrittmacher . . . das war die von meinem Honda-Sofa Helix.

    An der Roten Flora war ich, als an der Feldstraße noch keine Wasserwerfer zu sehen waren. – Das war wohl so gegen 10:45 Uhr.
    Auf dem Sternschanzen-Bahnhof stand ich später mitten mang den grünen „Schutzmächten“ (ja, rundum geschützt und dennoch mutterseelen allein mitten mang nur „Grüner“ am Kopf des Bahnhofs!), während am Brückengeländer die „Schwarzen Ritter“ (Bundespolizei?) einen einwandfreien Zugverkehr gewährleisteten und unten die Demo zu eskalieren drohte.
    Am Heiligengesitfeld lehnte ich mich auf eine Absperrschranke und meine Hände wurden recht unsanft von den vorbeieilenden „Grünen“ massiert.
    Eine der Grünen Damen fegte gar meine Hände von der Schranke; an ihrem nach vorn. gerichteten Blick glaubte ich zu erkennen, daß sie mich gar nicht wahrgenommen hat.
    Ich wurde an der Glacischausse Zeuge einer reichlich brutalen „Behandlung“ eines Festgenommenen (ja, das Kennzeichen des Einsatzfahrzeuges hab ich gesehen) und geriet kurz danach versehentlich in die „Frontblockade“ der Grünen Schutztruppe (mir sind inzwischen die Anführungstüttelchen ausgegangen), die mich ja eigentlich vor dem Schwarzen Block schützen sollten.
    Ich wollte ja nur links rum in den Holstenwall . . . aber die Grünen wollten mich da zunächst partout nicht durchlassen. Ein älterer Grüner erkannte dann wohl, daß ich mich nicht als alter Mann verkleidet hatte, sondern auch wirklich einer war, und geleitete mich persönlich durch die Grüne Mauer. – Das war ein kurzer, freundlicher Lichtblick.
    Von dort gings zum Gummi-Hacken Essen in ein Schnellrestaurant im Dammtor-Bahnhof und danach zum Jungfernstieg, wo einer der Grünen meinte, daß man doch den dort gerade einen Tanz aufführenden Polizeihunden die Maulkörbe abnehmen sollte . . .
    Wenn dieser gute Mann das hier lesen sollte, dann wird er sich sicherlich an meine Antwort erinnern.

    . . . und Du schreibst hier, ich wäre nicht weit gekommen?

    Meine genau Marschroute werde ich dir in den nächsten Tagen gern einmal aufschreiben . . .
    Um 21:48 War ich dann endlich wieder zu Hause; der Glühwein auf dem Gänsemarkt wollte mir unter den Augen der Obrigkeit nicht mehr so recht schmecken, also was sollte ich da noch.

    Kurt, aka Rentner Anton

    Montag, 17. Dezember 2007 um 22:31 #
  3. Udo schrieb:

    Friedens[feld]forschung – Senioren als Sicherheitspuffer zwischen Schwarzer Block und grüner Exekutive

    Ich sehe gespannt dem Tag entgegen an dem „Senioren für Deeskalation“ aus dem ganzen Bundesgebiet angereist, ihre Isomatten und Schlafsäcke im Convergence Centrum – also in den Sälen der Patriotischen Gesellschaft – ausrollen, die Stützstrümpfe zum Trocknen an die Leinen hängen, um am nächsten Tag ausgeschlafen und mit einer Erbsensuppe gestärkt gemeinsam auf der Großdemo zu deeskalieren…

    Libertatem quam peperere maiores… – Der FreiheitsKampf gehört den Alten – in Pflicht und Kür!

    Wenn die Senioren im Alter von Udo Jürgens, Heino oder Wolfgang Schäuble auf der Strasse bei Demos deeskalalieren und „watchen“, wird sich vielleicht so mancher Polizeibeamte auf Probe einen anderen Umgangston [Sprache] und bessere Manieren angewöhnen müssen…

    U

    Montag, 24. Dezember 2007 um 05:00 #