Hamburgs Gängeviertel verkommt

Als Hamburg noch im Boom-Zeitalter war, benötigte man Platz zum Wohnen für die Arbeiter. Wohnraum war schon damals knapp — wie heute auch. Im 18. Jahrhundert war das Gängelviertel die Wohnstatt der Arbeiter und außerdem die Brutstätte von Krankheiten.

BäckerbreitergangNiedrige Häuser, dicht an dicht, in Straßen, die kaum breit genug für zwei Karren waren, die Häuser überfüllt mit Menschen. So ein Bild bot sich dem Betrachter damals in Hamburgs Alt- und Neustadt sowie dem Großen Grasbrook. Die hygienischen Verhältnisse waren eigentlich nicht existent. Wer an den Fleeten wohnte, der entsorgte seine Notdurft in das selbe Wasser, das er auch trank.

Ende des 19. Jahrhunderts war der Punkt erreicht, wo nichts mehr ging. Hamburg wurde von einer Cholera-Epidemie heimgesucht.

Die Arbeiterwohnungen am Grasbrook mussten der für die Hansestadt so typischen Speicherstadt weichen. Die Kaiser-Wilhelm-Straße schnitt eine Schneise in die Eiterbeule Hamburgs. So kam wenigstens ein bisschen Luft an den Krankheitsherd.

Im Laufe der Jahre wurden die markanten Gängeviertel-Häuser immer weniger. Mittlerweile gibt es in der Hansestadt noch ein Überbleibsel im Bäckerbreitengang zu bewundern. Hier steht allerdings nur noch eine Häuserzeile; und diese verkommt auch noch langsam aber sicher.

Am Michel gibt es zudem im Krayenkamp die Krameramtsstuben. Dieser Mini-Straßenzug gibt ein besseres Bild von den Umständen, wie beengt die Menschen damals in Hamburg gelebt haben. Die Krameramtsstuben sind kommerzialisiert — was durchaus in Ordnung ist, kann so ein Stück Historie wenigstens erhalten werden.

Die Häuser im Bäckerbreitengang haben da nicht so viel Glück. Diese gammeln langsam vor sich hin, der niederländische Investor tut nichts für den Erhalt der Gängeviertel-Reste. 80 Prozent des alten Bestands soll abgerissen oder entkernt werden. Doch der Investor hat Geldsorgen und so passiert erst einmal nichts. Dabei wohnen im Bäckerbreitengang Menschen. Man kann also durchaus sagen, das Gängeviertel ist noch lebendig. Allerdings krankt es.

Wenn der Investor kein Geld hat — warum kauft die Stadt nicht das letzte Stück Hamburger Geschichte und schützt es? Oh, stimmt ja, Denkmalschutz ist in der Hansestadt quasi nicht mehr existent – schließlich leistet man sich dafür kein Personal. Aber Millionen und noch mal Millionen für Leuchtturm-Projekte, glatte und langweilige Fassaden raushauen, Todgeburten künstlich am Leben erhalten, das klappt. Vermutlich, weil irgendwer, irgendwie immer noch daran verdient …

„Alt“ hat derzeit in Hamburg keine Chance.

[flickr-Diashow-URL] (Übrigens erhebe ich nicht den Anspruch, dass dieser Beitrag geschichtlich niet- und nagelfest ist. Das nur am Rande … 😉 )

Kommentare (7)

  1. kiezterror schrieb:

    Ich fürchte, alt hatte in Hamburg selten eine Chance, oder warum hat Alfred Lichtwark den Satz „Freie und Abrissstadt Hamburg“ geprägt? Damals, also um achtzehnhundert und ähhh riss Hamburg die Häuser auf den Elbinseln Kehrwieder, Brook und Wandrahm ab, damit die Speicherstadt gebaut werden konnte.

    Samstag, 25. Juli 2009 um 13:19 #
  2. caramell schrieb:

    tja, so ist das dann wohl mit hamburg.
    allerdings gibt es auch eine volksinitive welche sich mit dem gängeviertel und seiner wiederbelbung beschäftigt. unter http://www.gaengeviertel.info gibt es einige infos…

    Donnerstag, 30. Juli 2009 um 23:47 #
  3. R. schrieb:

    junge junge.

    hast du die von dir aufgeführten quellen auch mal ordentlich erfasst, sprich gelesen? hast du einen gang durchs ‚gängeviertel‘ gemacht?

    NEIN. mopo-artikel wie auch die website zur initiative beziehen sich auf das areal valentinskamp ecke caffamacherreihe. und nicht den bäckerbreitergang. jener ist sogar vor einigen jahren hergerichtet worden und gammeln so gar nicht vor sich hin!

    also, erst denken, dann schreiben!

    Mittwoch, 5. August 2009 um 17:27 #
  4. Nils schrieb:

    Danke für den – nicht gerade freundlichen, aber immerhin – Hinweis. Natürlich habe ich die Artikel gelesen. Offensichtlich ist mir nur etwas entgangen. Doch dafür habe ich ja Leser, die aufmerksam – und bestimmt – auf solche Umstände hinweisen.

    Mittwoch, 5. August 2009 um 19:17 #
  5. R. schrieb:

    nur etwas entgangen?

    z.B. im mopo-artikel ist direkt im ersten absatz von häusern am valentinskamp die rede und es werden weitere angaben zu orten gemacht, die klar verständlich machen, daß hier nicht vom bäckerbreitergang die rede ist. die seite gaengeviertel.info zeigt ebenfalls in karten und bildern etwas ganz anderes, als du hier beschreibst!
    und auf deinen flickr-fotos ist zu erkennen, daß du gar vorm info-schaufenster am valentinskamp standest – auch hier wird genauestens lage und ausbreitung des gängeviertels beschrieben.

    hier davon zu sprechen es sei ’nur etwas entgangen‘ ist da zu einfach! viel zu einfach.

    natürlich kann kaum jemand geschichtlich ’niet- und nagelfestes‘ mal eben so in aller richtigkeit bloggen. aber zumindest die faktische einordnung eines ortes und eines gegenwärtigen sachverhaltes sollte ein jeder leisten können.

    was aber du verfasst hast ist eine deutliche verzerrung von eindeutig überprüfbaren sachverhalten, von denen du gar kenntniss hattest (haben mußtest).

    vermutlich ging es aber nur um das spiel mit heimeligen bildern – inhalt = sch… egal.

    Donnerstag, 6. August 2009 um 08:55 #
  6. G schrieb:

    Es ist doch eigentlich Egal ob Gängeviertel oder nicht. In Hamburg mangelt es an jeder Ecke an Bewustsein zu historischen Gebäuden.

    Wo wurde was an den Häusern am Bäckerbreitergang gemacht? Ich war vorletzte Woche dort. Es drohen die Mauern aus den einzelnen Fachwerken herauszubrechen. Sie wurden provisorisch mit Brettern ans Fachwerk befestigt.

    Ich habe den Eindruck, das diese Häuser kaputt gewohnt werden sollen.

    In Hamburg Eißendorf war es genauso. Ein ehemaliger Aussiedlerhof von 1840 wurde als Asylantenunterkunft genutzt, bis diese kaputt war und angeblich nicht mehr zu retten war.

    Nun sind auf dem Grundstück stinklanweilige Eigentumswohnungen entstanden.

    http://www.hamburg.de macht mit dem abgerissenen Haus aber immer noch „Werbung“ für die ländliche Architektur in Hamburg Eißendorf.

    Montag, 24. August 2009 um 18:09 #
  7. Kurz vor der Wahl wirds ein Politikum und ist gerade heute brandaktuell!

    Mittwoch, 26. August 2009 um 18:23 #