Marke Hamburg – Im Stechschritt Marsch

In einem Interview hat sich Rocko Schamoni einmal so treffend geäußert, dass Hamburg ein Wirtschaftsstandort sei. Damit bliebe kein Platz mehr für eine Stadt. Dummerweise leben Menschen in Städten und nicht in Wirtschaftsstandorten. Die Umgestaltung der einstigen Hansestadt ist wohl schon eine gewisse Zeit im Gange, doch erst unter Spaß-EB von Beust und seinen diversen Neuarrangements des Hamburger Senats ging die hanseatische Verwirtschaftlichung in die Vollen.

Einer von vielen Fehlern, die sich der Senat, resp. eine Nebenstelle dessen, geleistet hat, war vor einiger Zeit die plumpe und ungefragte Vereinnahmung Hamburger Künstler. Man warb mit den Künstlern, hatte sie aber nicht um Erlaubnis gebeten. Dabei wurden sie vor den Karren namens Hamburg gespannt — mit dem sich immer mehr Leute nicht identifizieren können. Einfach, weil die Stadt keine Stadt mehr ist, sondern ein Wirtschaftsstandort, der in diesem Fall Künstler als Werbemarionetten einsetzen wollte. Daraus entstand die Bewegung Not In Our Name.

Der Wirtschaftsstandort Hamburg wird verkauft und beworben durch die Hamburg Marketing GmbH. Man behandelt die einstige Stadt vollständig wie eine Firma, bzw. Marke. Komplett mit so genannter Corporate Identity (CI). Jedes Plakat, das Hamburg repräsentieren soll, ist in blau gehalten, die Schlagzeile für z.B. ein Fest oder eine Ausstellung steht auf einer roten Zunge, die ein Schiffsbug symbolisieren soll.

Und es muss mittlerweile alles der CI entsprechen, alles auf die Marke Hamburg getrimmt werden. Alles!

Man mag annehmen, es gäbe Nischen, in denen der Marken- und Unpersönlichkeitswahn nicht zuschlagen würde. Irgendwelche Randgebiete, die schlicht unterm Radar laufen. Nein. Alles ist Marke Hamburg.

So müssen sogar sämtliche Internetseiten einer städtischen „Aussenstelle“ uniformiert werden — auf dass man sie nicht mehr voneinander unterscheiden möge. Behörde, Festival, Infoseite, soziale Einrichtung — sie sollen alle einheitlich aussehen. Es gibt einen Styleguide (PDF; 12,5 MB), der genau vorschreibt, wie die Internetseite einer Hamburger Einrichtung aussehen muss. Wo soll der Header sein, wie groß darf dieser sein, welche Motivgattung muss abgebildet sein, Schrift, Navigation und noch vieles mehr ist pedantisch dokumentiert.

Was verschenkt die Stadt hier an Vielfalt und Ideenreichtum auf dem Altar namens „Marke Hamburg“. Ich denke an die Internetpräsenzen von z.B. Schulen oder Jugendeinrichtungen wie Häuser der Jugend. Keine Workshops mit Jugendlichen mehr, die sich beweisen und die Seite für ihre Schule oder ihr HdJ gestalten können. Keine eigenen Gesichter, all überall Einheit und Uniformität. Keine Kreativität mehr für Jugendliche. Sorry, wir sind eine Marke, da ist kein Spielraum für Euch vorgesehen. (Einmal davon abgesehen, dass für Jugendliche in Hamburg eh kein Platz ist …)

Die Ironie hierbei: Sich ungefragt mit Kreativen schmücken und auf der anderen Seite Einfallsreichtum unterdrücken …

Freie Entfaltung und Selbstdarstellung gibt es in einer Stadt vielleicht, aber nicht in einem Wirtschaftsstandort, wie es die Marke Hamburg einer ist.

Kommentar (1)

  1. Das Böse schrieb:

    Doch nach Berlin?

    Dienstag, 28. Dezember 2010 um 23:43 #