Der Ton macht die Musik

Oh, wie oft denke ich an diesen Satz. Arbeitet man mit jungen Mitarbeitern zusammen, muss man feststellen, dass ein freundlicher Ton oftmals fehlt. „Könntest Du bitte …?“ wird schnell zu „Gib!“ oder „Mach!“. Das gemeinsame Mittagessen wird einfach angefangen. Man wartet nicht mehr bis alle das Essen haben und ein „Guten Appetit“ vermisse ich sowieso schmerzlich. Stets bin ich es, der noch einmal diese Floskel hastig von sich gibt, die meiner Meinung nach doch selbstverständlich sein sollte.

Man kann ihnen keinen Vorwurf machen. Wo sollen die Jungen auch Höflichkeit und Umgangsformeln lernen? Im Internet? Ha! Vorm Fernseher? Niemals! Voneinander? Keine Chance. Ihre Umwelt macht es ihnen jedoch auch nicht leicht. Fährt man in Hamburg z.B. mit der S-Bahn, findet man an jeder Tür das Schild, das einem die Mitnahme eines Fahrrades verbietet. Die Mitnahme ist nicht erlaubt …

Negativ

Nur ganz, ganz selten sieht man dieses Schild:

Positiv

Ist es denn so schwer? Man kann auch nett sein, das beweist sogar die Bahn. Zugegeben, es ist mehr Text zu lesen, aber dieser kommt doch etwas freundlicher rüber, als sein „Nein! Nein!“-Bruder. Wäre es nicht schöner, wenn es nicht immer Verbots-, sondern Hinweisschilder sein könnten? Der Ton macht die Musik — zwischenmenschlich und in der schriftlichen Kommunikation ebenso.

Kommentar (1)

  1. Andreas schrieb:

    An einer etablierten Gesamtschule im Hamburger Nordwesten gab es vor 20 Jahren einmal die Bestrebung, die altehrwürdige Schulordnung durch ein Schul?ethos? zu ersetzen, in der der Versuch unternommen wurde, die Verbote in Gebote umzuwandeln. Ich erinnere mich sehr gut daran im Rahmen meiner damaligen Mitarbeit bei der Schulzeitung Schülerinterviews durchgeführt zu haben. Tenor war jedoch allgemein, dass die jüngeren Schüler diese Gebote nicht verstanden, die älteren hingegen eher spöttisch auf den ?missionarischen? Charakter reagierten.
    Ich denke, diese Reaktion liegt aber in der Natur der Menschen begründet: Als frei geborenes Wesen gehen wir erst einmal davon aus, dass wir alles dürfen, was wir wollen. Bereits als Kleinkind versuchen wir das auch effektiv umzusetzen ? mit dem Resultat, von unseren Eltern ein deutliches ?nein? zu bekommen. Im günstigsten Fall wollen uns unsere Eltern dabei schützen, im ungünstigeren einfach ihre Ruhe haben.
    Trotzdem werden wir von Klein auf darin geprägt, die Grenzen unserer freien Entfaltung nicht in dem ?du darfst dieses, du darfst jenes? zu finden, sondern in einem ?bis hierhin und nicht weiter?. Das sind klare Signale, allgemein verständlich und schnell zu verarbeiten.

    Bezüglich deiner Meinung über unsere Jugend erfährt deine Einstellung allerdings knallharten Widerspruch! Ich kann nicht zulassen, dass du auf der Generation rumhackst, der wir inzwischen als Vorbilder vorstehen. Ich arbeite täglich und ausgesprochen intensiv mit Jugendlichen zusammen und habe fast ausschließlich Positives zu berichten. Sie sind höflich, sie sind anständig, respektvoll und durchaus fähig, sich in ganzen Sätzen zu artikulieren. Und wo ich Defizite verspüre, versuche ich als Vorbild, ihnen diese Dinge vorzuleben, allerdings niemals mit erhobenem Zeigefinger, sondern immer zurückhaltend. Ein hastiges, fast verschämtes ?Guten Appetit? würden meine Jugendlichen nie von mir hören, sondern ein zurückhaltendes, aber selbstbewusstes: ?Guten Appetit?. Ich will mich schließlich nicht für mein gutes Benehmen entschuldigen müssen.
    Von wem sollen sie denn sonst lernen, wenn nicht von UNS!?

    Zum Rest der Kommunikation sei gesagt, dass spartanische Kommunikation in vielen Situationen durchaus angebracht ist. Der unter dem Auto liegende Monteur, dem gerade das Öl ins Gesicht spritzt, wird seinem Lehrling nicht sagen: ?Gibst du mir bitte mal den Öllappen?, sondern ?Öllappen, schnell!? und der Lehrling wird sicher nicht pikiert reagieren. Und wenn ich an unsere gemeinsamen dänischen Urlaube denke, war da auch nicht alles in ganzen Sätzen gesprochen. Und respektvoll und anständig haben sich unsere Altersgenossen auch nicht immer verhalten. Wir mögen da einen Hauch besser gewesen sein, weil wir das Glück hatten, eine gute Kinderstube zu genießen, aber unsere Generation ist nicht besser oder schlechter, als andere. Sie ist nur? anders.

    Dienstag, 1. März 2011 um 10:59 #