Cyclassics 2011 vom Straßenrand aus betrachtet

Cyclassics 2011Eigentlich wollte ich einen eher höhnischen Bericht schreiben. Früh auf einem Sonntag aufstehen, hin zur nächsten Strecke der Cyclassics, ein Foto von einer großen Gruppe machen und dann dieses zusammen mit der Aussage „Guck mal, so viele Atomstrom-Fans“ posten. Immerhin sind es die Vattenfall-Cyclassics. Und wofür Vattenfall steht, wissen wir alle

Tatsächlich war das ein Grund dafür, warum ich nicht mehr bei den Cyclassics mitgefahren bin. Bei den HEW-Cyclassics, wie sie bis 2005 hießen, bin ich mitgefahren, aber für Atomstrom-Befürworter Vattenfall Werbung fahren? Nee. Als unser damaliger CDU-Senat für seine vielen Augenwischerei-Denkmäler Geld brauchte, hat er das Traditionsunternehmen, das 1894 gegründet wurde und an dem die Stadt Hamburg von 1914 bis 2002 beteiligt war, aufgegeben. Damit änderte sich auch der Sponsor des mittlerweile wichtigen Fahrradrennens. Wichtig vor allem wegen des Jedermann-Rennens, wo Nicht-Profis auch einmal zeigen können, was in ihnen steckt.

Als es immer beliebter wurde, wurden auch immer mehr Hobby-Rennradler zugelassen. Es wurde einfach zu voll. Außerdem zogen mit den vielen Radlern auch mehr Idioten in die Reihen ein. Da gab es zu der Zeit, als ich fuhr, von Jahr zu Jahr mehr verbissene Möchtegern-Profis, die auf das Rennfeld keine Rücksicht nahmen. Alles nicht mehr so schön. Dann wurden die „Goodies“, die man bei der Akkreditierung in einem Rucksack erhielt auch immer billiger, ein T-Shirt vom Rennen gab es nur noch gegen Geld und — so erzählte mir ein Freund, der immer noch mitfährt —, die gesellige Pasta-Party wurde ebenfalls entgeltlich (kann sich auch schon wieder geändert haben). Da wollte ich nicht mehr mitmachen. Alles wurde teurer, dafür wurde einem weniger geboten.

Für Atomenergie fahren

Es kam anders. Ich stand früh auf, ging runter zur nächsten Cyclassics-Strecke und stand da erst einmal. Die Spitze des Jedermann-Rennens war schon durch. Jetzt war das Mittelfeld dran. Zunächst stand ich nur rum und schaute den Grüppchen zu, die an den wenigen Zuschauern vorbeifuhren. Dann schoss ich die ersten Fotos. Irgendwann wechselte ich in einem günstigen Moment die Straßenseite, um näher an den Fahrern dran zu sein. Es wurden noch mehr Fotos gemacht. Auf der anderen Straßenseite brüllten zwei kleine Mädchen bis sie nicht mehr konnten „Es geht schneller mit Nutella!“ Die Sonne schien, es war warm und ständig zogen Radfahrer an uns vorbei. Alte, Junge, Männer, Frauen, Bärtige, Schnelle, Langsame, Einzelkämpfer, Gruppen, Erschöpfte, Lachende, Rennräder, Tandems, normale Trekkingräder. Beim Jedermann-Rennen ist einfach alles vertreten. Mancher kroch nur noch an mir vorbei, andere zogen am Feld vorbei, mobilisierten erneut Reserven.

Wenn man so am Rand der Cyclassics steht und diesem buntem Rennfeld zuschaut, ist alles andere vergessen. Atomstrom, HEW-Verkauf, rüpelhafte Fahrer, ständig steigende Kosten — alles kein Thema mehr. Ich versuchte durch Lächeln und Zurufen die erschöpften Fahrer aufzumuntern. Es war die „kleine Runde“, als nur 55 Kilometer, an deren Streckenverlauf ich stand. Ich muss ungefähr bei Kilometer 45 gestanden haben, vielleicht noch mehr. Die Fahrer mühten sich ab und irgendwie juckte es auch mich wieder, mal auf den Sattel zu steigen und mitzufahren. Man muss nicht der Erste sein. Beim Jedermann-Rennen ist die Teilnahme das Wichtige, das Überwinden des inneren Schweinehunds, das Besiegen des eigenen Limits und die „Fans“ am Rande. Hauptsache man wird nicht vom Besenwagen eingeholt.

Vielleicht haben die Cyclassics ja nächsten Jahr einen anderen Sponsor. Dann überlege ich es mir noch einmal …