Schule heute

Wir haben letztens ein großes Abi-Jubiläum gefeiert. Die Schule lud ein und etwas über ein Drittel der damaligen Mitstreiter erschien. Drei Lehrer, davon zwei Tutoren, kamen ebenfalls. Nicht gerade viel. Die Feierlichkeiten begannen mit einem Umtrunk im damaligen Heiligtum – dem Lehrerzimmer. Danach gab es eine Führung über unsere alte Wirkstätte, wo wir noch dachten, wir wären die Könige der Welt und die könne uns eh nichts.

Erst einmal: Ich habe zwar weniger Haare – wie so einige Herren meines Abijahrgangs – aber ich bin nicht mehr gewachsen. Dennoch wirkten Aula, Lehrerzimmer, Klassenräume, Sporthalle und der Pausenhof kleiner. Das ging uns allen so und wundert uns.

Die Klassenräume sind tatsächlich kleiner geworden, da meine alte Schule mehr Schüler hat und man hier an einigen Stellen enger zusammenrücken musste. Der Pausenhof ist ebenfalls kleiner geworden, weil hier eine ausladende Terrasse mit abführenden Stufen gebaut wurde. Dass der Pausenhof kleiner geworden ist, ist jedoch nicht schlimm, nimmt man den einen Lehrer beim Wort. Die Kinder hängen offensichtlich hauptsächlich nur noch wie Zombies auf ihre Mobiltelefone starrend auf dem Pausenhof. Nur noch wenige spielen in den Pausen wirklich, bewegen sich. „Jaja, die Jugend“, mag man sagen. Aber die junge Generation von Lehrern ist genauso schlimm. Mein ehemaliger Lehrer meinte, auch die starren nur auf ihre Telefone. Aufsichtspflicht? Wieso? Wer steht, kann sich nicht verletzten oder Mist bauen.

Diese Generation von Lehrern ist wirklich eine andere als unsere Lehrer „damals“. Wie es sich offensichtlich für Mittzwanziger bis Mittdreißiger gehört, haben sie keinen Antrieb mehr, keinen Ehrgeiz und – wie ich immer zu sagen pflege –, sie sind nicht bereit „die Extrameile“ zu gehen — ein Problem, was diese Generation generell zu haben scheint. Bloß nicht mehr machen als notwendig. Als ich zur Schule ging, gab es AGs, Lehrer blieben freiwillig nach der Schule und betreuten interessierte Kinder und Jugendliche. Das scheint ziemlich eingeschlafen zu sein bei den heutigen Lehrern.

Ich sprach einen Lehrer auf unsere alte Schulzeitung an. Die erschein damals vierteljährlich, jetzt eher wenn sie voll ist, das passiert etw. zweimal im Jahr. Sind es die Schüler, die nicht mehr schreiben? Wohl auch. Aber der einstige Lehrer, die die Schülerzeitung unter sich hatte, hatte Feuer, hat die Schreiberlinge angestachelt und Ideen beflügelt. Mein ehemalige Bio-Lehrer erzählte, dass der heutige Leiter der Zeitung eher phlegmatisch sei. Da ist wohl ein ehemaliger Schüler in ein recht hohes lokales politisches Amt gewählt worden. Darauf machte er dem jungen Lehrer den Vorschlag, jetzt zu dem Ex-Schüler zu gehen und ihn zu interviewen. Der junge Lehrer daraufhin: Ja, wenn ich mal Zeit habe. Wir schauen mal. Aber dann ist die Neuigkeit keine Neuigkeit mehr! Ahhh…

Als ich zur Schule ging, gab es die so genannten Kaninenmütter: Mütter, die sich freiwillig und unentgeltlich hingestellt haben, um Brötchen zu schmieren, Gemüse zu schnippeln und die Logistik von Getränken für über 1000 Schüler zu wuppen. – Gibt es nicht mehr. Heute bekommt man keine Eltern mehr dazu, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es gibt auch keinen Schulteich mehr. Den habe ich damals gepflegt, wir haben Gewässergüteklassenuntersuchungen vorgenommen. Alles Geschichte. Weil sich niemand von den Lehrern und niemand von den Schülern darum kümmern will. Wie beschrieb es der eine Lehrer so schön: Die sind alle nur noch mit sich selbst beschäftigt. Für Andere machen die nichts mehr. – Ein allgemeines Problem, das unsere Gesellschaft derzeit hat.

Nach meinem Abgang, gab es noch lange Zeit einmal im Jahr eine Veranstaltung, zu der ehemalige Schüler eingeladen wurden. Diese saßen dann einen Tag lang in der Schule und erzählten interessierten Zwölfklässlern, wie es so ist in der Arbeitswelt, ob der ausgeübte Beruf wirklich so toll ist, wie man vermutet, oder vielleciht auch nicht. Was man leisten muss. Diese berufsorientierende Maßnahme gibt es auch nicht mehr. Warum? Weil sich kein Lehrer mehr bereit erklärt, das zu organisieren. Der Lehrer, der das früher gemacht hat, ist nun auch schon länger in Pension.

Meine ehemalige Schule war damals schon ganz groß was Musik anbelangte – blöd für mich, weil ich herzlich unmusikalisch, dafür aber bildend begabt war. Das Thema wird wenigstens noch gepflegt. Wobei … Als wir durch den Musiktrakt geführt wurden, hingen an den Wänden Poster von großen Musikern: Hendrix, Beatles, Bach, Mozart, Gillespie, Miller – und Eminem … Äh. Wir müssen wohl noch einmal reden …

Noch ein Wort zum Lehrerzimmer. Damals wirkte es größer, das sagte ich bereits. Es war aber auch größer. Wir erinnerten uns alle an kleine Tischgruppen, Einzeltische und riesige Wände mit Fächern für die Lehrer. Heute stehen im Lehrerzimmer mehrere Reihen Tische. Kleine Tische, eine weitere Reihe gegenüber. Die wirklich kleinen Tische waren teils voll mit Unterlagen und Utensilien. Wie soll man da als Lehrer arbeiten? Das sind doch keine Arbeitsbedingungen. Das sah aus wie „Arbeiten auf der Hühnerstange“.

Integration

Mein Lehrer meinte, Integration sei mittlerweile ein großes Ding. Das ist von außen aufgezwungen. Aber es läuft schlecht. Zu wenige Lehrer für zu viele Kinder, die „besondere Bedürfnisse“ haben. Vier in einer Klasse sollen, glaube ich, vorhanden sein, aber das sind nur die offiziell bekannten. Da sind in jeder Klasse noch viel mehr Kinder, die besonderer Betreuung benötigen. (Kein Wunder, wenn die sich alle nicht mehr bewegen und nur noch aufs Mobiltelefon starren …) Das bestätigte beim späten Essen auch eine ehemalige Mitschülerin. Die ist Lehrerin an einer Grundschule und hat das Thema ebenfalls täglich auf dem Tisch. Zu wenige Lehrer, zu viele Kinder. Sie hat 27 Schüler und kann sich beim besten Willen nicht um alle innerhalb einer Stunde kümmern. Die Ruhigen? Haben die etwas gesagt in dieser Stunde? Habe ich bei jedem die Hausaufgaben kontrolliert? Alles nicht mehr machbar …