Das Schanzenfest und die Medien

Zum wiederholten Male fand das Schanzenfest statt. Persönlich war ich nicht anwesend, was man aber auf diversen Socialmedia-Kanälen lesen konnte, schien das Fest selber ruhig über die Bühne gegangen zu sein. Lediglich die Tatsache, dass schon früh in den Seitenstraßen bis an die Zähne bewaffnete gepanzerte Polizisten standen, hat den einen oder anderen Beobachter verwirrt.

Am nächsten Morgen, sprich am Sonntag, dann die Nachrichten. Im Radio hieß es, es wäre ein Auto in Flammen aufgegangen, eine oder zwei Scheiben zu Bruch gegangen und der Zugverkehr musste zeitweise unterbrochen werden, weil einige Randalierer — sie waren dann nach dem Fest doch wieder da — auf einer Brücke standen und Polizisten mit Flaschen, Steinen und Böllern bewarfen. Mein erster Eindruck: so schlimm war es dann doch nicht. Da haben wir schon schlimmere Ausschreitungen erlebt.

Mein nächster Blick war unterwegs in die mobile Ausgabe des Senatsblatts. Da war von der Nacht der Gewalt die Rede. Ist wohl eine Standard-Schlagzeile oder Teil eines Baukasten-Prinzips. Jedenfalls war mir am Vortag schon klar, dass die Überschrift so, oder so ähnlich, lauten würde. Ebenso klar war die Aussage, dass die Randalierer aus der linksautonomen Szene stammen würden. Davon war morgens im Radio aber nicht die Rede.

Also noch einmal woanders nachgeschaut. Der NDR ist auch eher in ein bestimmtes politisches Lager einzuordnen. Doch hier findet man nur einen ordentlich geschriebenen Artikel. Von Linksautonomen fehlt jede Spur! Beim NDR wird von sinnloser Zerstörungswut gesprochen. Von der innenpolitischen Sprecherin der GAL kam diese Äußerung:

Deutlich sichtbar war für mich, dass es Gruppen gab, die aus Spaß Gewalt gesucht haben.

Und genau hier ist der Knackpunkt. Nicht Linksautonome, liebe Springer-Presse, sondern ganz normale, unpolitische Menschen, die lediglich ein sehr seltsames, krankes Bild von „Spaß“ haben. Junge Menschen, die, wie es scheint, gelangweilt sind und sich ihren „Kick“ in der Gewalt suchen. Nicht jeder, der einen schwarzen Pulli anhat, ist auch linksextrem. Da haben einige Schreiberlinge eine zu einfache Schwarz-Weiß-Sichtweise. Die sie fröhlich an die Leserschaft weitergeben …

Was kann man dagegen unternehmen? Wenn es junge Menschen sind, die Bock auf Gewalt haben — muss das von irgendwoher kommen. Normalerweise würde ich sagen, dass aus Frustration Aggression entsteht — das ist ganz einfaches verhaltensbiologisches Einmaleins. Aber sind diese Menschen wirklich frustriert? Oder nur gelangweilt?

Ohne genau zu wissen, was nun genau die Gründe für diese Gewaltlust sind, behaupte ich jedoch immer noch, dass man jungen Menschen entgegengehen muss. Man kann sie nicht einfach links liegen lassen. Stichwort ist hier die Kinder- und Jugendarbeit. Etwas, das in Hamburg seit langer Zeit ständig beschnitten wird. Ist ja auch klar: Welcher Politiker will schon Geld in etwas stecken, auf das er am Ende einer Legislaturperiode nicht ein Label „Das war ich“ kleben kann? Kinder- und Jugendarbeit ist etwas, das lange wirkt. Und auch nicht unbedingt in Zahlen bemessen werden kann. Man kann nicht am Ende eine Liste aufstellen „Wir haben Betrag X in dieses Projekt gesteckt und Y weniger Kriminalität oder Z mehr Jungerwachsenen eine Perspektive gegeben“. Und da das nicht geht — wird hier kein Geld reingesteckt. Lieber in solche Projekte, auf die man sehr wohl ein Etikett „Stammt von mir“ kleben kann. Ich denke dabei an das Millionengrab Elbdisharmonie … Schön mit Plakette drauf, wo sich auch die Namen der „edlen Spender“ wieder finden. Warum spenden „die“ eigentlich nie an sinnvolle Einrichtungen, wie z.B. den Mitternachtsbus?

Zurück zum Thema. Dass in Hamburg wenig für Kinder und Jugendliche getan wird und man diese „von der Straße abholen“ könnte, ist das Eine. Diejenigen, die jedoch auf dem Schanzenfest randalieren — zum Spaß — sind, so las ich irgendwo einmal, aber auch oft Jugendliche, die aus dem Rand Hamburgs kommen. Gleiches gilt dann wohl somit in den umliegenden Gemeinden — dort scheint man ebenfalls nicht viel für den Nachwuchs zu unternehmen, resp. in ihn zu investieren. Doch genau hier gilt es anzusetzen.

Und nicht immer dieses Versteckspiel, wonach alle selbst gemachten Probleme Linksautonome waren. Das ist zu einfach, liebe Senatspresse …

Kommentar (1)

  1. Bea schrieb:

    Toller Beitrag!
    Wäre schön, wenn er auch da ankommen würde, wo er unbedingt gelesen werden sollte. Leider schreiben diese Schreiberlinge nahezu ausschließlich im Hinblick auf Auflage …

    Freitag, 10. September 2010 um 05:46 #

Trackback/Pingback (1)

  1. Schanzenfest 2010 – Nachlese « Schiffsmeldungen am Dienstag, 7. September 2010 um 10:26

    […] ihre menschenfeindliche Wohnungspolitik der letzten knapp 10 Jahre mal kritisch zu überdenken. Vielleicht kann man mit einer vernünftigen Politik ja auch Krawallen vorbeugen. WP_SLIDESHOW_IMAGES = { load: […]