Hamburg für Startups nicht sexy genug?

Kalter Tag an Hamburgs Außenalster Medien- und IT-Stadt Hamburg — ein überholter Begriff? Hamburg sei nicht so sexy wie Berlin, so Xing-Gründer Lars Hinrichs. Empörung bei Hamburgs Medientreibenden. Zumindest einer kleinen Gruppe (noch). Twitter führte zusammen und so traf man sich in Hafennähe. Hamburg und Hafen, Wirtschaft, Tor zur Welt und überhaupt … Hamburg und nicht sexy. So nun nicht.

Die Hamburger Unterwassergruppe — Es fiel auch der Begriff iCamp, aber Unterwassergruppe klingt cooler. Klingt nach Konspiration. — wollte diskutieren, wie man Hamburg mehr sexy machen kann, wie man all die hippen StartUps, die nach Berlin ziehen wollen, in der Hansestadt halten kann.

Nach einigen Gedankenwürfeleien kamen wir auf „die üblichen Verdächtigen“: Mieten und Unterhaltungskosten sind in Hamburg schlicht zu hoch. Wer eine Idee, aber kein Kapital hat, der muss haushalten. Doch an der Elbe ist es teurer als an der Spree. Einfach mal so auf den Tisch gepackt, diese Behauptung. Stimmt sie? Im Gespräch kam heraus, dass Berlin zwar günstiger sei als Hamburg, aber es sei eher ein Mythos, dass die Hauptstadt so viel günstiger sei als die Hansestadt. Mittlerweile nähert sich wohl Berlin den Hamburger Preisen an. Zwar liegen sie noch unter den kühlen Hamburg-Preisen, aber immerhin — sie steigen auch im Osten, die Kosten.

Es bleibt ein Argument: Hamburg ist ein zu teures Pflaster. Könnten Co-Workingspaces wie das Betahaus oder das Werkheim StartUps in der Hansestadt halten, beziehungsweise sie überhaupt anziehen?

Weiter im Gespräch ergab sich: Berlin und Hamburg sind ganz einfach unterschiedlich. Das sind Stereotypen — entspricht aber der Wahrheit: Berliner sind quirrlig, wuselig, kontaktfreudiger. In Hamburg ist man ganz hanseatisch — oder zumindest so, wie man es sich vorstellt: kühl, reserviert, zurückhaltend. In Berlin neue Leute kennenzulernen, sich also mit frischen Ideen auszutauschen, ist einfacher als in Hamburg. Man geht hier nicht einfach los und spricht fremde Menschen an. Das macht man nicht.

Sven wusste zu berichten, dass man sich in Berlin treiben lassen kann. Man stellt sich irgendwohin und am Abend findet man sich auf einmal in einer Galerie oder einer Halle wieder, wo man Bier mit Unbekannten trinkt und sich unterhält. Wie man hier oder dort hingekommen ist? Keine Ahnung. Irgendwer schleppt einen schon immer irgendwohin mit. In Hamburg hingegen stünden überall Glaswände. Man sieht „die Anderen“, man geht aber nicht auf sie zu.

In Berlin reichen ein Kasten Bier und ein paar Stullen, in Hamburg müssten es immer Champus und Häppchen sein. Wirklich? Oder ist das auch nur eines dieser Vorurteile? Das Häppchen-Argument haben wir abgeschmettert, nicht weiter beachtet.

Hamburg ist ein Dorf – und das ist gut so!

Irgendwann fiel dann auch, dass Berlin größer sei als Hamburg. Ist es nun mal. Daran können wir kaum etwas ändern. Schaut man auf den Berliner Stadtplan und denkt sich „Ach, von hier nach dort – das kann ich auch zu Fuß machen“ (den Fehler habe ich einmal gemacht), dann erlebt man sein blaues Wunder und wünscht sich, man hätte Wegzehrung eingepackt. In Hamburg hingegen kann man den Großteil zu Fuß zurücklegen. Vom Dammtor nach Ottensen nach einem Kinobesuch? Kein Problem. Alles schon gemacht. Somit hat Berlin auch mehr Menschen als Hamburg. Es ist voller. Klar, dass dabei „Reibung“ entsteht, was in Hamburg durch den Wind von der Nordsee schon nicht möglich ist.

Zwei Tage nach dem Treffen gab es einen kleinen Schlagabtausch („Fragerunde“ wäre passender) zwischen mir und einem ehemaligen amerikanischen Kollegen, der just in Berlin ein StartUp gegründet hat. Wieso Berlin? Du hattest doch zuletzt einen Job in Hamburg?! Als Antwort erhielt ich von dem StartUp-Menschen:

Berlin is f****g ALIVE, versus HH. HH is clean and ordered and everyone looks clean and ordered. But Berlin is where the creative energy is. Messy and dirty and alive.

Das mit der kreativen Energie, das hatten wir uns in trauter Unterwasser-Runde auch schon gedacht und gleich nachgefragt, woher das käme. Ich denke da wieder an „mehr Menschen ergo Reibung“ und das Ding mit dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Hauptstadt- und Hansestadt-Mensch. Wir sind nicht gerne schmutzig. Höchstens im Sommer an den Füßen, wenn wir am Elbstrand entlanglaufen.

Weiter führte der Ex-Kollege an, sei Hamburg zwar ein wirtschaftlich stabiler Standort, aber es gäbe nur eine internationale deutsch-englische Schule. In Berlin hingegen habe man derer zehn! Und weitere zehn für andere Sprachen. Die Hälfte der mehrsprachigen Schulen in Berlin sei öffentlich, die einzige in Hamburg aber privat (16.000 &euro im Jahr). Für ihn als Amerikaner sei das wichtig. Hamburg ist nicht international, auch wenn der Slogan „Tor zur Welt“ etwas anderes suggeriert. Ja, darauf kamen wir ebenfalls beim zweiten Bier. Mache Hamburg internationaler und es kommen mehr Menschen aus aller Welt. Gehe mit den Preisen für Mieten (Wohnen und Arbeiten) runter — vielleicht bekommst Du dann einen kreativen Hexenkessel hin. Oder zumindest eine wohl temperierte Aalsuppe.

Siegessäule in BerlinSchließlich die Geschichte mit der Historie Berlins. Ja, Berlin ist bekannter. Wieso, wie Hinrichs erklärte, seine Redner nur dann nach Deutschland kämen, wenn sie in Berlin reden könnten, blieb uns während unseres ersten Treffens ein Rätsel. Was sind das für Spinner, die „nur nach Berlin“ wollen? Das können nur Leute sein, die nicht viel über Deutschland wissen, die bei Deutschland ausschließlich an Berlin denken. Vielleicht noch München. Das ist ein Problem Hamburgs. Es ist nicht in den Köpfen der Welt eingebrannt. Bei uns sind keine Rosinenbomber über die Alster geflogen, wir waren nicht vom „kommunistischen Feind“ eingekesselt und wir hatten auch weder JFK noch Obama bei uns zu Besuch.

Hamburg ist unsere Perle

Irgendwie kommt Hamburg wie eine kleine, ungeliebte Schwester daher. Jeder kennt die große, aufgetakelte, auf jeder Party mitmischende große Schwester. Die ist schon rumgekommen! Hamburg ist da schüchterner, zurückhaltender. Und wer nicht schreit, der wird nicht gehört.

Nina kam jedoch irgendwann mit einer ganz netten, versöhnlichen Frage: Wollen wir denn wirklich StartUps um jeden Preis haben? Warum reicht uns nicht das, was wir haben? Wie der ehemalige Kollege auch meinte: Hamburg ist wirtschaftlich stabil. Im Grunde braucht man StartUps nicht. Oder? In den Hafen werden 200 Millionen Euro investiert. Irgendwas läuft doch richtig bei uns in Hamburg.

Zu der Sache, dass man in Berlin eher aufeinander zugeht, fällt mir eine Geschichte ein. Als ich noch in einer Redaktion gearbeitet habe, hatte ich einen jungen Kollegen, der mit seiner Familie viel herumgereist war. Der war schon überall auf der Welt. Unter anderem hat er einige Zeit in München verbracht gehabt. Als ich ihn fragte, ob er denn die „kühlen Hamburger“ mögen würde, kam ein ehrliches Ja. Ja, die Hamburger fände er klasse. Es sei zwar schwerer an sie heranzukommen, als z.B. an einen Münchner, aber dafür ist das, was daraus wird auch ehrlicher. In München ist man gleich befreundet, man gibt sich Bussi hier, Bussi da — aber sobald man den Leuten den Rücken zudreht, wird über einen hergezogen. Das, so der junge Mann damals, habe er in Hamburg nicht erfahren. Hamburger sind also nicht so kontaktfreudig, dafür entstehen aber auch echte Kontakte und nicht nur oberflächliche Bekanntschaften. Kann man das auch auf Berlin münzen? Was sagt das über StartUps aus? Sind sie alle „unehrlich“ und zum Großteil dem Untergang geweiht?

Wird fortgesetzt …