Einig Hamburg

Zum 18. Mal jährt sich der Tag der Deutschen Einheit. Hamburg richtet die Feierlichkeiten bereits zum zweiten Mal aus. Wo? Natürlich in der Schickimicki-Hafencity. War doch klar. Wo sonst? Dieser Stadtteil wird so verzweifelt und mit Brachialgewalt gepuscht und immer wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt – das ist schon peinlich. Man hätte ja auch auf dem Rathausmarkt feiern können. Ach nein, das geht nicht – dort soll ja möglichst wenig gefeiert werden. Oder zumindest anders. Wäre zwar irgendwie repräsentativer – aber es muss ja das Nobelviertel sein …

Also große Sause in der Hafencity. Deutschlands Oberhirtin kommt auch. 4000 Polizisten ebenso. Und 2000 Demonstranten. Und — weniger Besucher. Immerhin wird die Hafencity abgeriegelt. Kontrollen an jeder Brücke. Das ist natürlich nur eine historische Show, die zeigen soll, wie es damals in der DDR war. Quasi Nostalgie pur in Hamburg. Von daher ist der Austragungsort schon ganz gut gewählt; mit all seinen Brücken und den damit simulierten Checkpoints. Mensch, die lassen sich doch immer wieder etwas einfallen. Heissa.

Alte Zeitungen lesen

Moorburg kommt. Die Grünen, die nicht mehr grün sind, haben dem zugestimmt. Ja, war das denn nicht schon klar? Wie es scheint schon. Liest man in alten Zeitungen nach, dann findet man sogar ziemlich klare Ansichten der Grünen. Hamburgs Spaß-EB hat im Vorfeld zur Bürgerschaftswahl noch schnell – aber für jeden sichtbar – klare Fronten geschaffen und dem Haus- und Hofenergieriesen Vattenfall Tür und Tor geöffnet. Woraufhin der auch schnell anfing zu bauen. Zwar erst Nebengebäude, aber immerhin markierte der Konzern schon einmal sein Revier. Im November 2007 hieß es in der ZEIT:

Im Februar wird in Hamburg gewählt, und ohne die Grünen wird die CDU danach kaum weiterregieren können. Indem von Beust die Kontroverse um Moorburg Monate vor möglichen Koalitionsverhandlungen beendet, räumt er einen absehbaren Streitpunkt aus dem Weg. Dass dieses Kalkül aufgehen könnte, räumen die Grünen zähneknirschend ein: Gegen das neue Kraftwerk zu kämpfen lohne sich nicht mehr.

Die Grünen wussten davon, dass sie eh nichts werden ändern können? Und gehen – nachdem sie im Wahlkampf klar Nein zur Kohlendioxidschleuder gesagt haben – eine Koalition mit der CDU ein? Sie wussten, dass ein Kampf gegen den Bau des größten Steinkohlekraftwerks Mitteleuropas nichts bringen würde?

Das vor Augen, ist eine Koalition mit dem Urheber des Umweltbelasters Moorburg ein klarer Vertrauensbruch gegenüber den GAL-Wählern. Hätte man gesagt: „Wir wissen nicht, wie es ausgehen wird, aber wir wollen in eine schwarz-grüne Koalition, damit wir gegen Moorburg kämpfen können, denn wir haben trotz großem, zu erwartendem Widerstand die Hoffnung das Steinkohlekraftwerk doch noch verhindern zu können.“ Ja, hätten sie solche Aussagen vor der dem Unterzeichnen des Koalitionsvertrags getätigt – okay. Aber sie wussten vor der Wahl bereits, dass Moorburg nicht mehr abwendbar war. Das könnte man somit gezielten Betrug der Wählerschaft nennen. Und „grün“ ist bei denen schon lange nichts mehr …

Nun kommt Moorburg, aber Umweltsenatorin (richtig: Bau- und Umweltsenatorin) Hajduk gibt sich glorreich, wenn sie im selben Atemzug verkündet, Vattenfall bekäme große Umwelt-Auflagen oben zur Genehmigung drauf. — Naja, dagegen kann Vattenfall ja auch noch klagen …

Außerdem, um dem Ganzen doch noch einen grünen Hauch zu verpassen, kam die Ankündigung, man wolle einen eigenen Öko-Stromanbieter ins Leben rufen. Soso. Mein erster Gedanke: ‚Erst wird der stadteigene Energieanbieter verkauft und jetzt wollen sie wieder einen? Könnt ihr euch mal entscheiden? Erst verkaufen sie die Stadtwerke (um Geld für eigene Denkmäler zu haben) und dann Geld für neue Stadtwerke wieder ausgeben? Hä?‘

Selbst wenn Hamburg einen Öko-Stromanbieter aufbauen würde: Vattenfall hat erst einmal bis 2014 das Versorgungsrecht des Fernwärme- und Gasnetzes der Stadt. Zudem hat Hamburg zwar einige Windanlagen, aber die reichen nie aus, also müsste Strom angekauft werden. Von Vattenfall? *höhö*

Ebenfalls in dem bereits oben angesprochenen ZEIT-Artikel steht eine interessante Passage zur norddeutschen Stromlandschaft nach Moorburg:

Ähnlich verhält es sich mit sauberem Strom. Norddeutschland wird durch seine Kohlekraftwerke zum Stromexporteur, hat das Bremer Energieinstitut errechnet. Wer hier in Zukunft CO2-neutralen Wind- oder Sonnenstrom verkaufen will, wird demnach gegen eine Kohlestromindustrie antreten müssen, der schon die eigenen Überkapazitäten zu schaffen machen.

Rentieren würde es sich also nicht? Das riecht doch alles nach grünem Feigenblatt. Naja, der Wunsch, einen eigenen Stromanbieter ins Leben zu rufen, kann natürlich genauso scheitern, wie der Wunsch, Moorburg mit rechtlichen Mitteln zu verhindern. Wie das ausgegangen ist, wissen wir jetzt …

Liest man das letzte Zitat, kommt übrigens auch die Frage auf, wieso der Spaß-EB dem Klimakiller überhaupt zugesagt hat? Wenn die Kohlestromindustrie schon Überkapazitäten hat!?

Große Augen

Widrige Umstände erforderten die Benutzung des Hamburger ÖPNV und damit verbunden den Kauf einer Fahrkarte. Es war früh, sehr früh, als ich aus dem Haus ging. Natürlich kam gerade ein Bus an, was mich zu einem frühmorgendlichen, völlig unerwünschten 200m-Sprint „anspornte“. Da es vor 7 Uhr war, kostete die verlangte Tageskarte satte sechs Euro.

Der Busfahrer schaute mich auch nur mit großen Augen an, murmelte noch einmal „Tageskarte“ und schüttelte leicht den Kopf. In seinen Augen stand Entsetzen (ob des hohen Preises) und Verwunderung (dass jemand so eine Karte überhaupt verlangt). Sein Blick schien zu sagen: „Junge, spinnst du? Fahr schwarz! Das ist viel zu teuer. Das hat noch nie jemand verlangt!“

Es kann durchaus gewesen sein, dass ihn mein Hecheln, Röcheln und Fiepen nach dem 200m-Sprint etwas irritiert hat. Allerdings glaube ich wirklich, dass er mich eher wegen dieses ungewöhnlichen Wunsches so schräg anschaute.

Die Energieeffizienz, der Backstein und das Gesamtbild

Erst kürzlich wurde ich gefragt, wie lange wir denn noch Erdöl hätten. Tja, so genau kann ich das natürlich nicht sagen, aber eine Erdölknappheit ist nichts, was erst kommende Generationen in weiter Zukunft betreffen wird. Das Ende kommt schnell! (Warum man dann immer noch SUVs überhaupt im Angebot hat, bzw. so dumm ist und sowas fährt — ein ewiges Rätsel …) Umso wichtiger ist es also, Energie zu sparen. Und wenn es der unmündige Bürger nicht gebacken bekommt, darf auch schon mal „von oben“ diktiert werden. Das Auto, des Deutschen liebstes Kind, darf selbstredend nicht angegriffen werden – das weiß auch Frau Merkel – , aber beim Häusle, da kann man als Politiker getrost Vorschriften machen.

Es gibt die Energieeinsparverordnung (EnEV), die regeln soll, wie Häuser und Gebäude am umweltfreundlichsten gebaut oder umgebaut werden sollen. Diese Verordnung gibt es schon ein paar Jahre und sie wurde regelmäßig nachgebessert. Die EnEV 2009 besagt z.B.:

Bis 2009 sollen die energetischen Anforderungen im Gebäudebereich um 30 Prozent verschärft werden und bis 2012 sollen sogar weitere 30 Prozent folgen.

Die Anforderungen an die Energieeffizienz im Neubau und Bestand sollen um 30 Prozent verschärft werden. Das macht man beim Neubau durch geeignete Maßnahmen wie Isolierungen, so dass das Gebäude nicht den Großteil der Wärme einfach abgibt. Beim Altbau müsste eine Energetische Sanierung her, also eine Ertüchtigung der thermischen Hülle eines Gebäudes zur Minimierung des Heizenergiebedarfs gemäß den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung.

Finde ich gut! Energie sparen ist unbedingt notwendig. Es gibt nur einen klitzekleinen Haken: Gerade in Hamburg haben wir (noch) einen schönen Architektur-Mix aus alten Backsteinbauten, gerne im Bauhausstil, Neoklassizismus und Jugendstil. Wenn die Gebäude nun alle mit Dämmwolle zugedeckt werden — wo bleibt die schöne Architektur, wenn nicht auf der Strecke?

Verblendung im Backsteindekor

In letzter Zeit findet man in Ottensen immer mehr Häuser hinter Gerüsten versteckt. Jetzt geht’s los. Die Vermieter sanieren ihre alten, teilweise noch von vor dem zweiten Weltkrieg stammenden Bauten. Was passiert mit den teilweise schönen Fassaden? (Ich wohne in einem superlangweiligem Klotz – macht doch damit, was ihr wollt.) Gerade „damals“, als man sich noch ein wenig Gedanken gemacht hat, wie man ein Haus ein bisschen verschönern kann, wurde „Bewegung“ in die Hausaussenhäute gebracht. Mal eine Steinreihe etwas nach außen versetzt, oder ein Relief aufgebracht, unterschiedlich farbige Steine wurden benutzt oder aufwändige Verzierungen realisiert. Soll das alles unter einer Dämmhülle verschwinden?

Im Hohenzollernring sind sie schon seit einiger Zeit dabei, die Häuser einer Energetischen Sanierung zu unterziehen. Hier finden sich Häuser im Bauhausstil; zumindest was die Eingangsbereiche anbelangt. Gerade um die Eingänge habe ich mir Sorgen gemacht.

Wie es scheint, werden auf die alten Hauswände Dämmplatten aufgebracht, diese verputzt und anschließend mit einer Verblendung versehen, die eine Ziegelsteinbauweise vorgaukelt, wobei zum Glück die alten Hauseingänge verschont bleiben:

BlenderHauseingangunsanierte und sanierte Hauswand nebeneinander

Na, das schaut nicht so schlimm aus. Allerdings sind diese Fassaden auch ziemlich „glatt“, haben also keine auffallenden Verzierungen, die unter der Dämmung verschwinden konnten. Anders schaut es z.B. bei diesem Haus im Hohenzollernring aus. Hier ist die Fassade durch den Stein geformt. Dafür gibt es bestimmt keine kostengünstige Fassaden-Imitation. Sollen solche schönen Häuser einfach zugeklebt werden? Eine Schande.

Historische Bauten

Es muss Ausnahmen geben. Nur um eine Verordnung zu erfüllen dürfen nicht so wichtige Bauten wie z.B. das Chilehaus unter einer glatten Wärmeisolierung verschwinden. Gleich nebenan ist das, vor allem an der Südseite reich verzierte Haus Meßberg 1. Sollen die Erker, Rundungen, Simse und Figuren der Wärmedämmung geopfert werden? Oder das Kontor in der Niedernstraße? Wirklich einzigartig ist auch der Sprinkenhof mit seinem rautenförmigen Klinker. Für den Fassadenschmuck sind Klinker und Terrakotten zum Einsatz gekommen. Das darf nicht für immer unter Dämmmaterial verschwinden!

Eingang ChilehausSpitze Ecke vom ChilehausSüdseite des ChilehausesHausecke mit FigurHausecke mit Figurenverwinkeltes DachGesamtansicht des SprinkenhofsDetailansicht Sprinkenhof

Diese Gebäude sind „Extrem-Beispiele“, da sie in der Innenstadt gelegen sind, von bekannten Architekten konzipiert wurden und weit über Hamburgs Grenzen bekannt sind. Aber wie oben beschrieben, gibt es auch in den etwas am Rand gelegenen Stadtteilen ganze Quartiere, die mit einer schützenswerten Architektur aufwarten. Diese Gebäude sind vielleicht nicht so berühmt, aber dennoch wichtig für das Stadtbild. Hier nur wegen einer Verordnung wunderschöne Fassaden zu verdecken wäre eine Schande.

Nicht alles, was die mitregierende GAL in Hamburg durchsetzen will (s. Moorburg) ist schlecht. So wollen sich die Grünen für genau das hier angesprochene Problem einsetzen: eine Versöhnung von Klima und Backstein. Schauen wir mal nach der morgigen Verkündung zum Thema Moorburg, wie gut das Standbein der GAL in Hamburg dann sein wird, was aus der Versöhnung wird … Wenn es nach der CDU ginge, würde vermutlich alles abgerissen und durch Glas- und Stahlmonster ersetzt werden. Da stehen die drauf. 🙁 (Übrigens kann ich mir als Laie nicht vorstellen, dass diese Glasfassaden alle energetisch günstig sind …)