Kein Geld

Es gab mal eine Zeit, da haben Honorarkräfte in Hamburger Sozialeinrichtungen ihr Gehalt rechtzeitig erhalten. Man hat seine Unterschrift in ein Buch geschrieben, die Leitung der Einrichtung hat daraus eine Rechnung an die entsprechende Kostenstelle erstellt, die dann das Gehalt rechtzeitig überwiesen hat. Das scheint Geschichte zu sein.

Eine Bekannte, die noch im sozialen Sektor in Hamburg arbeitet, erzählte, dass Honorarkräfte nicht mehr rechtzeitig ihr Geld erhalten. Teilweise sechs Wochen zu spät. Wie konnte es dazu kommen? Durch eine Umstellung des Systems. Da müssen sich wohl einige Leute hingesetzt und gesagt haben, dass der Bezahlprozess „optimiert“ werden müsste.

Das Büchlein mit den Unterschriften gibt es nicht mehr. Dass sich die Leitung der Einrichtung um die Abrechnung kümmert – gibt es nicht mehr. Heute müssen die Honorarkräfte eine Rechnung schreiben. Okay, das ist noch nicht so schlimm, würde man diese einfach in der Einrichtung abgeben, in der man arbeitet. Aber Nein, so einfach wurde es nicht gemacht.

Die Rechnung muss nun per Post geschickt werden – und hier beginnt der wundersame „Optimierungsprozess“. Die Honorarkraft muss die Rechnung an eine ganz bestimmte Adresse schicken: An die Einrichtung, in der sie arbeitet – mit einem kleinen Unterschied. Name, Straße, Hausnummer – alles wie gehabt. Aber die Postleitzahl muss eine andere sein. Wie war das? Ja, die Adresse der Einrichtung, in der man arbeitet, mit ausgetauschter Postleitzahl. Das wahnsinnig „Optimierte“ daran ist, dass diese Kombination aus Adresse und Spezial-Postleitzahl wie eine Art Postfach fungieren soll.

Die Post kapiert das tolle System allerdings nicht, was dazu führt, dass Rechnungen verloren gehen. Ist das das Ziel der gesamten Aktion?

Eine studentische Hilfskraft, die auf das Geld angewiesen ist, war wohl so verzweifelt, dass sie sich bei ihrer Leitung privat Geld geliehen hat. Das kann nicht der Sinn sein …

Der neunte Planet

Wie konnte er uns nur entgehen? Der noch zu benennende, noch zu sichtende Planet Nummer 9 in unserem Solarsystem. Im Jahr 2006 haben sie uns unseren Pluto genommen und für viele Jahre waren wir nur zu acht im gemeinsamen Gang um unsere Sonne herum. Pluto, unser neunte Planet war degradiert zum Zwergenplaneten und durfte nicht mehr mitspielen. Wir haben Dich nicht vergessen, Du wirst immer in unserem Herzen sein – auch durch die Pluto-Sonde New Horizons, die so wunderbar gestochene Bilder vom Rande unseres Systems geschickt hat. Und Pluto schenkt uns dafür auch ein Herz.

Schule. Vieles, was man dort gelernt hat, geht über die Jahre verloren. Aber es gibt Dinge, die sich einem ins Gehirn brennen und die man nie vergisst. Dinge, die, wenn man sie verinnerlicht hat, einem mit Stolz erfüllen. Auch wenn sie nicht groß sind. Eines dieser Dinge ist eine Eselsbrücke zum Erinnern der Reihenfolge unserer – ehemals – neun Planeten. Den Spruch kann ich noch heute, einfach weil er so simpel ist und doch so viel Sinn macht. Früher haben wir uns die Planeten so gemerkt:

Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten.

Mein – Merkur
Vater – Venus
erklärt – Erde
mir – Mars
jeden – Jupiter
Sonntag – Saturn
unsere – Uranus
neun – Neptun
Planeten – Pluto

Welch Ironie, dass ausgerechnet das Wort „Planeten“ von Pluto belegt war und der dann von Herren mit Zahlenschiebern vom Planeten-Thron gestoßen wurde. Mit acht Planeten macht die Eselsbrücke keinen Sinn mehr: Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere … Was? Negativzahlen? Nougatrezepte? Nagetierzucht? Was?

Nun haben also Zahlenschieber anhand von Zahlen und Beobachtungen einen neuen neunten Planeten „entdeckt“. Gesehen haben sie ihn noch nicht. Der gute Junge braucht 20.000 Jahre, um einmal um die Sonne zu kreisen, Pluto braucht dafür etwas weniger als 248 Jahre.

Wer ist dieser schwere Bursche, der so behäbig durchs All eiert? Keiner weiß es. Keiner hat ihn gesehen. Er ist bisher nur Theorie. Die Zahlenschieber erhoffen sich nun, dass andere Zahlenschieber und Sternengucker sich ins Zeug legen, um die Existenz von Planet 9 zu bestätigen. Eine Bitte: Kann der Planet, wenn er denn gefunden wird, bitte einen Namen mit „P“ am Anfang erhalten? Dann macht auch die Eselsbrücke wieder Sinn. Das wäre sehr nett. Danke. Von mir aus kann er auch „Planet 9“ heißen. Ist zwar unsexy … aber okay.

Das gekapselte Internet

Hände hoch! Wer erinnert sich noch an die Welt von AOL und Co.? Damals, als das Internet noch jung war, als wir keine Ahnung hatten, was uns dort draußen alles erwartet und wie man an die neuen Horizonte gelangen konnte. Zu der Zeit wurden einem an jeder Ecke und in jedem Printmedium (!) die CDs (!) hinterhergeworfen, auf denen AOL stand. Einmal anmelden, einen Monat umsonst surfen, danach einen Betrag X bezahlen, der heute verrückt anmutet.

AOL gibt es nicht mehr (eigentlich schon, aber wir behandeln es mal so, als ob es das nicht mehr gäbe), die CDs sind höchstens noch bei einigen Retro-Fanatikern als Untersetzer im Partykeller im Einsatz. Worauf ich hinaus will: Um ins Internet zu gehen, brauchte man deren Software. Wie auch bei der Telekom musste man damals über deren Portal in die Weiten des Internets eintauchen. „Nein, Du gehst nicht direkt irgendwohin, Du gehst erst auf unser Portal, wirst zugepflastert mit Werbung und dann darfst Du weiter.“

Das Prinzip hat sich überholt. Möchte man glauben. Ein abgeschlossenes Ökosystem, das mir vorschreibt, wie ich das Internet erleben soll? Gibt?s doch nicht. Oder? Na freilich gibt es das. Wieder. Da reden die Leute von Netzfreiheit und all solch lustigen Dingen und dabei verbauen sie sich selber alles. Die Sprache ist von den Apps. Das mobile Netz wird das Desktop ablösen. Das liest man überall. Die Zahlen sprechen dafür, dass der mobile Zugang ins Internet immer mehr steigt. Und bei ?mobiles Internet? denken nun einmal viel zu viele Menschen automatisch an Apps. Diese kleinen Icons, die man sich aus einem s.o. runterlädt und mit denen man dann irgendwas im Netz machen kann. – Und die einem ein abgeschlossenes Ökosystem präsentieren. Unter Umständen sogar mit vordefinierten Inhalten. Aber ich lasse einfach mal diesen Mann sprechen, der kann das eigentliche Problem ganz gut zusammenfassen (ab 2:30 min):

Alles an einem Ort zu haben, ist also kritisch. Alles aus einer Hand, einem Shop, einer Schmiede präsentiert zu bekommen ist ebenfalls kritisch. Und dennoch machen es die Menschen alle bereitwillig. Was man noch bei AOL und Co. angemeckert hat, kommt nun freiwillig und in kleiner Form wieder. Wollen wir das wirklich?

Native vs. Web

Ah, die alte Leier. „Wir sind besser!“ gegen „Nein, wir sind besser!“ Die Auseinandersetzung, wer denn nun besser sei, eine native App oder die Web-App, bekommt in letzter Zeit immer mehr Gewichtsverlagerung hin zur Web-App. Taucht ein Bug auf, der gefixt werden muss oder soll ein neues Feature eingebaut werden, ist das in der Web-App viel, viel schneller und kostengünstiger zu erledigen. Bei den native Apps muss diese erst durch den Shop (Apple Store) kommen. Das kann dauern. Das ist der Preis für die Kapselung, für die Abhängigkeit, in die man sich begibt mit einer native App.

Dann kommen immer wieder die Zahlen auf den Tisch, wonach die Menschen viel mehr Zeit in den native Apps verbrächten. Ja, aber ? Aber, diese Zahlen stimmen nur für die ganz großen Globalplayer. Wer nicht gerade Facebook oder YouTube heißt, braucht auch nicht auf dieses Argument setzen. Für alle Anderen ist der Weg zu teuer. Wenn schon das Argument mit dem ?freien Internet? nicht hilft, dann vielleicht das mit den Kosten.

Das erste Mal Critical Mass gefahren

Critical Mass versammelt sich vor den Deichtorhallen Irgendwann ist immer das erste Mal. Entweder habe ich es schlicht vergessen, das Wetter war schlecht oder ich war anderweitig verhindert. Aber schon lange wollte ich an einer Fahrt der Critical Mass teilnehmen. Nun also endlich – es hat geklappt. Der Tag war hauptsächlich bewölkt, doch rechtzeitig zur Tour wurde der Himmel klar. So mag man es.

Kurz vor 19h trudelte ich auf dem Platz zwischen den Deichtorhallen ein. Der Raum füllte sich immer mehr mit Fahrradfahrern und ihren Zweirädern. Irgendwann wurde die Meute unruhig, das Geklingel ging los. Immer wieder wurden die Klingeln und Hupen angestimmt und übertönten dann die eine oder andere fahrbare Disco. Gegen 19.30h dann der Aufbruch. Es ging ruhig los, es wurde immer wieder gecorkt, also von freundlichen Teilnehmern der Critical Mass Autofahrer aufgehalten.

Da eine Gruppe über 15 als geschlossener Verband gilt und laut Straßenverkehrsordnung als ein Fahrzeug angesehen wird, müssen die Autofahrer immer wieder teilweise lange warten, bis sie über die Straße kommen. Der Zug fährt auch bei Rot über die Ampel, wenn der Kopf bei Grün passierte. Die kritische Masse ist kein Mittelfinger für den Autofahrer. Die pure Masse soll den Autofahren bewusst machen, dass sie nicht alleine sind, dass Fahrradfahrer ebenso Teilnehmer im Straßenverkehr sind. Die „Corker“ erklären dies auch immer gerne den wartenden Automobilisten.

Die Bewegung ist international und findet regelmäßig überall auf der Welt statt.

Was gibt es alles auf einer Fahrt der Critical Mass zu sehen? Da wären:

  • Typen im Strampler
  • Mit LEDs geschmückte Fahrräder
  • Junge und alte Teilnehmer
  • Solisten und Gruppen
  • Mehrere Anhänger mit Musik, von Dubstep zu Reggae zu Rock zu HipHop – alles dabei
  • Leuchtende Speichen
  • Cruiser, klapperige 70er-Jahre Klappräder, Rennräder, Mountainbikes, Tandems, Liegeräder, Leihräder, Räder mit Reifen so dick wie Oberschenkel – auch hier ist alles vertreten
  • Typen mit Monsterhelmen, die immer wieder auf einem Rad auf dem Bürgersteig an der Gruppe vorbeirauschten
  • Leute mit ihrem Hund im Anhänger
  • Leute mit ihren Kindern im Kindersitz oder wenn’s mehrere sind, dann auch im Anhänger

Die Gruppe hat sich in der Regel vorbildlich verhalten. Wenn es zum Stau kam, wurde die Hand gehoben, man hat auf seine Umgebung Acht gegeben, es gab immer freundliche Leute, die gecorkt haben. Ebenso konnte man das ein oder andere ?Danke schön!? in Richtung der Corker vernehmen. Dennoch gab es auch ein paar Idioten. Da waren ein paar harmlose Gröhler dabei. Allerdings gab es auch die, die, wenn es mal langsamer voran ging, schnell überholen mussten und dabei auch mal in die Gegenbahn kamen. Das ist allerdings nicht harmlos, sondern richtig dumm! Leider gab es auch Radler, die zwischendurch aufs Mobiltelefon guckten oder telefonierten. *seufz*

Für die Autofahrer dürfte der lange Verband wahrscheinlich nervig gewesen sein. Noch einmal: Es geht nicht darum, die Autofahrer zu verärgern. Allerdings gab es auch so manches frohe, glückliche Gesicht am Straßenrand. Die Fußgänger wurden ebenfalls behindert, sie konnten nicht so einfach die Straßen überqueren. Dennoch nahmen sie es fast alle mit Humor und freuten sich, so viele Fahrräder zu sehen. Das wurde erst recht auf der Reeperbahn bewusst. Die Partygänger konnten partout nicht über die Straße, da die Reeperbahn nur zweispurig ist und die Fahrraddichte schnell anstieg. Dennoch: Überall freundliche Gesichter und gezückte Mobiltelefone, die das Spektakel aufnehmen wollten.

Ein Höhepunkt war gen Ende. Die Truppe fuhr durch den Nagelsweg. Als wir den Mittelkanal überquerten, konnte man auf der Amsinckstraße die nachfolgenden Fahrrad-Fahrer sehen. Das bewies nur, wie groß die Schlange war.

Über drei Stunden fuhr die irrsinnig große Gruppe durch Hamburg. Insgesamt wurde eine Strecke von knapp 33,5 Kilometer zurückgelegt. Das muss man mitgemacht haben. Es ist eine gute Sache und macht Spaß.

Nicht ganz verstanden haben die Teilnehmer, wieso so viel Polizei anwesend war. Das soll wohl bei vergangenen Veranstaltungen verhaltener gewesen sein. An der Elbpromenade standen mehrere Mannschaftswagen. Wieso? Ebenso seltsam fand ich das Verhalten mancher Autofahrer. Sie konnten offensichtlich in den nächsten Minuten nicht weiterfahren, standen aber alle mit laufendem Motor in den Seitenstraßen, schauten auf die vorbeiziehende Fahrradmeute.

Wenn man so lange in einer Gruppe fährt, hört man links und rechts das eine oder andere Gespräch. Oder zumindest Gesprächsfetzen. Mein Lieblingszitat:

… und als ich dann feststellte, dass gegen Graffitis sein voll uncool ist …